Das Jahr weiß ich nicht mehr genau. Vielleicht 2012, gefühlte Jahrzehnte zurück. Ich bin noch weit davon entfernt, zu akzeptieren, dass meine Augen einen Einfluss auf mein Leben haben. Ich habe noch einen sehr guten Visus auf beiden Augen. Wenn ich mich richtig erinnere, 10 und 0,8 mit Brille an guten Tag. Das ist sehr weit von jeder offiziellen Seheinschränkung entfernt.

Die Wahrheit ist auch: Ich bin schon immer hochgradig kurzsichtig. Meine Augen werden immer schlechter. Mit Anfang 30 hatte ich schon eine komplizierte Katarrakt-OP. Mein Visus sagt wenig über den Zustand meiner Augen aus. Und vor Allem: Auch wenn ich damals noch viel weniger über hochgradige Kurzsichtigkeit weiß als heute. Eines weiß ich: Mit ihr ist nicht zu spaßen, es ist eine ernstzunehmende Augenkrankheit.

Immer wieder kommen daher Sorgen nach oben, die ich schnell wieder wegdrücke.

Die Sorgen sind nicht aus der Luft geholt. Meine sehr herausfordernde Arbeit als internationale Moderatorin und Trainerin geht regelmäßig deutlich über meine physischen Leistungsgrenzen. Der Preis ist oft hoch. Noch kann ich mich gut durchkämpfen mit kreativen Anpassungen. Doch fühle ich: Das ist nicht klug.

Ich drücke Sorgen aus Hilflosigkeit weg. Ich hatte so häufig schon versucht, mich ihnen zu stellen und nie einen Ort gefunden. Das letzte Mal als ich versuchte, mich endlich mit den Folgen meiner Augenerkrankung auseinanderzusetzen, sagte eine freundliche Dame beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverein zu mir: „Leider können wir nichts für Sie tun, weil Sie noch nicht sehbehindert sind. Es gibt keine Selbsthilfegruppe, nichts.“

Seit zwölf Jahren bin ich 2012 schon Coach und begleite Menschen in teilweise einschneidenden beruflichen Veränderungssituationen. Ich weiß, dass es mir helfen wird, meinen Augen-Wahrheiten endlich auch ins Auge zu sehen. Ich weiß, dass es mich befreien wird, nicht mehr wegzudrücken. Ich weiß auch: So lange ich noch zusammenzucke, wenn ich jemanden sehe mit weißem Langstock, beherrschen mich meine Ängste.

Als Coach lasse ich mich berufsbegleitend coachen, das gehört zur professionellen Basis. Die Kollegin ist hilflos mit dem Thema. Eine Therapeutin auch. Der DBSV auch. Was kann ich trotzdem tun?, frage ich mich. Glücklicherweise denke ich ziemlich schnell an meine Coach-Kollegin Dörte Maack. Mit ihr hatte ich schon ein Kundenprojekt gemeinsam gestaltet und wir kennen und schätzen uns.

Den Ängsten stellen – abgesichert

Dörte Maack ist erblindet durch die Augenkrankheit Retinitis Pigmentosa und arbeitet damals als Head of Education bei DIALOG IM DUNKELN(c) in Hamburg, meinem damaligen Wohnort.

Meine Idee: Ich mache eine Führung im Dunkeln mit, um herauszufinden, was passiert, wenn ich mich der Dunkelheit stelle. Wenn ich mit einer Gruppe Menschen, die dies als Ferienspaß gebucht haben, durch den Parcours im Stockdunkeln laufe. Mir ist klar: Alleine möchte ich dies nicht tun. Ich brauche eine Absicherung für mich und die Möglichkeit, zu reden. Ich kontaktiere Dörte, ob sie bereit ist zu einem Gespräch nach der Führung.

Wer Dörte Maack kennt weiß: Sie unterstützt mein Vorhaben aus ganzem Herzen.

Meine Angst ist groß. Welche inneren Dämonen werden mir begegnen, dort im Stockdunkeln?

Wir verabreden eine Art Stufenplan:

1. Es bleibt während der gesamten Führung ein „Dunkel-Führer“ in meiner Nähe. (Das heißt, einer der blinden Begleiter, die im Dunkeln führen) Unmerklich. Es reicht, dass ich diese Gewissheit habe und ihn ansprechen kann, wenn es mir zu viel wird.

2. Ich kann bei Bedarf abbrechen. (Das ist mir wichtig, so fühle ich mich als „Herrin der Lage“.)

3. Im Anschluss treffen Dörte und ich uns auf ein Gespräch.

Die Dunkelführung war eine wirklich eindrucksvolle Erfahrung. Ich liebte die spontane Verbundenheit, die ich mit dem mir unsichtbaren Ehepaar neben mir fühlte, mit dem ich in 30 Sekunden zu einem eingeschworenen Team verbunden war. Alle drei gleichermaßen hilflos halfen wir uns, wo wir nur konnten.


Und doch: Während die anderen zum Abschluss gemütlich im Dunkeln sitzen und plaudern, kommt die Angst in mir hoch. Unerbittlich, deutlich, überraschend heftig. Mein Kopf beschwichtigt, meine Hände zittern, mein Magen zieht sich zusammen. Tränen steigen in mir hoch.

Hallo Gefühle!

Hallo Gefühle, euch gibts ja doch. Der Deckel, der sehr lange alle Ängste und und auch viele anderen Emotionen unten hielt, sitzt plötzlich nicht mehr hermetisch dicht. Das ist gut, sehr gut – und wird zu viel.
Ich bitte meinen persönlichen Dunkel-Begleiter mich herauszuführen. Mein Gespräch mit Dörte Maack habe ich bitter nötig.

Lebensfroh oder nicht: Es liegt an dir!

Dörte ist als Coach geübt in Gesprächsführung. Ich weiß, von einer Kollegin habe ich keine Plattitüden zu befürchten. Kein: Ach, du wirst schon eine Lösung finden. Kein: Es ist ja noch nicht so weit, kümmere dich dann darum. Sie hört zu, stellt kluge Fragen und stellt mir ihre Erfahrungen nur dann zur Verfügung, wenn dies für mich hilfreich ist.

Was Dörte noch ist: Lebensfroh, selbständig, professionell. Wir sind nachdenklich zusammen und lachen auch viel. Darum hatte ich mir sie als Gesprächspartnerin ausgesucht. Weil sie zeigt: Es gibt ein gutes Leben im „Dunkeln“. Es liegt an mir, wie ich damit umgehe. Es liegt an mir, ob ich lebensfroh bin oder geduckt unter der Last des Schicksals gehe.

Unsere Ängste sind keine Dämonen. Sie sind natürlich und völlig normal. Sie brauchen unsere Aufmerksamkeit. Sie möchten gesehen werden. Ach was, sie fordern, dass wir sie wirklich wahrnehmen. Denn nur dann können wir uns ihnen stellen. Denn nur dann sehen wir uns auch selbst und können uns von unseren Ängsten befreien. Nur dann beherrschen sie uns nicht mehr, sondern weisen uns nur auf etwas hin.

Anne Niesen / SEHHELDIN

Welche Angst möchte von dir gesehen werden?

Lass dir NIE einreden, dass dein Verlust nicht groß genug ist für Ängste. Jeder Verlust macht Angst. Mal ist die Angst ganz klein, mal ist sie größer, mal riesengroß. Denn es macht IMMER Angst, etwas zu verlieren, was eng mit uns verbunden ist.

Wir sind Seh-Held*innen, weil wir mutig sind. Mutig sein heißt: Sich seiner Angst stellen. Welche Angst möchte von dir gesehen werden?

Deine Anne, die SEHHELDIN und deine Begleiterin auf deinem Weg

Es ist schwer, ich glaube, unmöglich, deinen Ängsten und Sorgen alleine zu begegnen. Denn was machst du dann mit ihnen, wenn sie kommen? Dann bist du ihnen vermutlich hilflos ausgeliefert oder weißt einfach nicht, was mit ihnen tun. Vermutlich drückst du sie, so wie ich jahrzehntelang, dann ganz schnell wieder weg.

Du willst das auch, dieses tolle Gefühl, wenn du deinen Realitäten ehrlich begegnest? Du hast Glück und musst nicht mehr suchen: Melde dich bei mir. Du wirst erleichtert sein!


Dörte Maack ist nun selbständige Moderatorin und Rednerin. Sie hält ganz wunderbare Vorträge. Ihr bekanntester ist Warum die Kraft in deinen Träumen liegt bei Gedankentanken.

2020 ist auch ihr Buch erschienen: Wie man aus Trümmern ein Schloss baut. (unbezahlte Werbung). Lesenswert.

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