Meinen Ängsten eine Chance
Das Jahr weiß ich nicht mehr genau. Vielleicht 2012, gefühlte Jahrzehnte zurück. Ich bin noch weit davon entfernt, zu akzeptieren, dass meine Augen einen Einfluss auf mein Leben haben. Es geht doch noch gut. Anstrengend ja, latente Angst irgendwo im System, ganz bestimmt. Verdrängt, ignoriert. Meistens.
Mein geschulter Coach-Kopf sagt mir: Setze dich damit auseinander! Schaue deiner möglichen Zukunft in die Augen! Es ist auch mein Kopf, der beschließt: Es ist Zeit, einen ersten Schritt zu setzen in Richtung Akzeptanz. Es ist Zeit, mich mit meinen Ängsten zu konfrontieren. Ich kontaktiere Dörte Maack.
Ich stelle mich meiner Angst – abgesichert
Dörte kenne ich bisher als Coach-Kollegin in Hamburg. Sie arbeitet damals als Head of Education bei DIALOG IM DUNKELN(c).
Meine Idee: Ich mache eine Führung im Dunkeln mit, um herauszufinden, was passiert, wenn ich mich dieser unterdrückten, unterschwelligen Angst stelle. Dieser Angst, mein Augenlicht zu verlieren und von da an, so stelle ich mir dies damals vor, im Dunkeln und abseits vom Leben zu leben.
Wer Dörte Maack kennt weiß: Sie unterstützt mein Vorhaben aus ganzem Herzen.
Meine Angst ist groß. Welche inneren Dämonen werden mir begegnen, dort im Stockdunkeln mit einem Blindenstock in der Hand?
Wir verabreden eine Art Stufenplan:
1. Es bleibt während der gesamten Führung ein „Dunkel-Führer“ in meiner Nähe. (Das heißt, einer der blinden Begleiter, die im Dunkeln führen) Unmerklich. Es reicht, dass ich diese Gewissheit habe.
2. Ich kann bei Bedarf abbrechen. (Das ist mir wichtig, so fühle ich mich als „Herrin der Lage“.)
3. Im Anschluss treffen Dörte und ich uns auf ein Gespräch.
Die Dunkelführung war eine tolle Erfahrung. Sie war geprägt von Miteinander und gegenseitiger Hilfestellung. Das Ehepaar neben mir und ich, wir werden zu einem festen Team.
Und doch: Während die anderen zum Abschluss gemütlich im Dunkeln sitzen und plaudern, kommt die Angst in mir hoch. Unerbittlich, deutlich, überraschend heftig.
Angst deckeln = Gefühle deckeln
Hallo Gefühle, euch gibts ja doch. Der Deckel, der alle Ängste und Emotionen abdeckelt, sitzt plötzlich nicht mehr hermetisch dicht. Das ist gut – und wird zu viel.
Ich bitte meinen persönlichen Dunkel-Begleiter mich herauszuführen. Mein Gespräch mit Dörte habe ich bitter nötig.
Nicht alleine auf Ängstesuche
Dörte ist als Coach geübt in Gesprächsführung. Ich weiß, von einer Kollegin habe ich keine Plattitüden zu befürchten. Kein: Ach, du wirst schon eine Lösung finden. Kein: Es ist ja noch nicht so weit, kümmere dich dann darum. Sie hört zu, stellt kluge Fragen und stellt mir ihre Erfahrungen nur dann zur Verfügung, wenn dies für mich hilfreich ist.
Was Dörte noch ist: Lebensfroh, selbständig, professionell. Wir sind nachdenklich zusammen und lachen auch viel. Ich fühle: Es gibt ein gutes Leben auch im „Dunkeln“. Wenn ich es zulasse.
Es ist schwer, ich glaube, unmöglich, deinen Ängsten alleine zu begegnen. Denn was machst du dann mit ihnen, wenn sie kommen? Dann bist du ihnen vermutlich hilflos ausgeliefert oder weißt einfach nicht, was mit ihnen tun. Vermutlich drückst du sie, so wie ich jahrzehntelang, dann ganz schnell wieder weg.
Heute weiß ich:
Unsere Ängste sind keine Dämonen. Sie sind natürlich, normal. Sie brauchen unsere Aufmerksamkeit. Sie möchten gesehen werden. Ach was, sie fordern, dass wir sie wirklich wahrnehmen. Denn nur dann können wir uns ihnen stellen. Denn nur dann sehen wir uns auch selbst.
Anne Niesen / SEHHELDIN
Welche Angst möchte von dir gesehen werden?
Lass dir NIE einreden, dass dein Verlust nicht groß genug ist für Ängste. Jeder Verlust macht Angst. Mal ist die Angst ganz klein, mal ist sie größer, mal riesengroß. Denn es macht IMMER Angst, etwas zu verlieren, was eng mit uns verbunden ist.
Wir sind Seh-Held*innen, weil wir mutig sind. Mutig sein heißt: Sich seiner Angst stellen. Welche Angst möchte von dir gesehen werden?
Bis bald, Eure Anne, die Sehheldin
Übrigens:
Dörte Maack ist nun selbständige Moderatorin und Rednerin. Sie hält ganz wunderbare Vorträge. Ihr bekanntester ist Warum die Kraft in deinen Träumen liegt bei Gedankentanken.
2020 ist auch ihr Buch erschienen: Wie man aus Trümmern ein Schloss baut. (unbezahlte Werbung). Lesenswert.
Hallo Anne,
Ja ich habe ähnliche Symptome wie du . Haben wir bereits gemeinsam festgestellt , blendempfindlich, ambyopie ,, Nystagmus grauer , grüner Star etc.
Auch ich habe Angst , genau aus diesem Grund habe ich das Dinner im Dunkeln noch nicht besucht.
Ich habe Angst meine Zukunft zu sehen. Was passiert mit mir wenn es dunkel wird? Bekomme ich meine Panik in den Griff ?
Danke das du deine Erfahrungen und Gefühle teilst.
L. G.
Moni
Hallo Moni, deine Angst verstehe ich so gut. Jede_r, denke ich. Es ist eine Urangst. Quasi alleine im Dunkeln. (auch wenn ich vermutlich nie im völligen Dunkeln sein werde, aber das ist der Angst egal). Wie ich geschrieben habe: Setze dich dem nicht alleine aus! Tue es nur, wenn es dir grundsätzlich gut geht und du dich stark genug fühlst. Dann, wenn du denkst: Ich bin bereit, meine Angst zu fühlen, ihr zu begegnen. Ich bin keine Therapeutin und möchte dich nicht zu etwas Falschem ermutigen. Ich weiß nur: Vergrabene Ängste machen krank. Ich hatte keine Panik, ich war damals tieftraurig. Und das war gut! Traurigkeit ist sehr viel besser als kein Gefühl. Alles Liebe und danke, dass du den Sehheld*innen-Mut hast, hier sichtbar zu sein.
Ich würde gerne antworten. Gibt es hierfür eine Spracheingabe? Ich bin geh und sehbehindert und meine Ängste fressen mich auf und ich lebe alleine
Liebe Carola, deine Ängste fressen dich auf? Wie traurig. Kannst du mir helfen? Was meinst du mit Spracheingabe? Ich erkundige mich einmal. Alles Liebe, Anne