Du hast viel geleistet. Du hast einen Beruf, den du liebst, der zu dir gehört. Oder der dich trägt. Jetzt stehst du auf einem Wendepunkt: Dein Beruf und deine gesundheitliche Realität ihr passt so nur noch bedingt zusammen. Haken dran und was Neues? Unmöglich. Lies, was dir hilft, deine Zukunft zu begrüßen.

[Wie immer gilt: Ich spreche von Augen. Du kannst einsetzen: Augen, Gesundheit, Krankheit, Burn-Out, Schicksalschlag]

2000 starte ich mein Unternehmen als selbständige international-tätige Trainerin, Moderatorin, Coach. Das bin ich, das ist meine Identität. Ich liebe die sehr unterschiedlichen Kunden, die internationalen Teams, die Möglichkeiten.

Bestimmt seit 2013 wusste ich es, an den Tagen, an denen ich schonungslos ehrlich mit mir bin: Der Alltag, die vielen Reisen, die Kundenanforderungen, die langen Workshoptage zehren an mir. Das ist für die fitteste Frau ein herausfordernder Beruf, mit meiner hochgradigen Kurzsichtigkeit geht über meine körperlichen Grenzen. Nach zwei Tagen Strategie- oder Teamworkshop ist die Luft raus. Den Rest der Woche arbeite ich mit halber Kraft. Privatleben auf Sparflamme.

Mehrfach mache ich den Versuch, mich zu lösen und mich beruflich zu verändern. Ich bezahle Karrierecoaches, entwickele geniale Lebensläufe und neue Ideen – und lande doch immer wieder beim alten Ich. Klar, es ist nicht einfach mit meinem spezialistieren Lebenslauf und fast 50 Jahren damals. Aber das, so bin ich heute sicher, ist nur ein Teil der Wahrheit.

Auch heute bin ich nicht offziell sehbehindert, damals hatte ich von Außen gesehen sozusagen „nichts.“ Einfach nur irgendwie nicht so tolle Augen. Konkret heißt dies: Es gibt keine Unterstützung – nicht für Umschulungen, nicht finanziell, nicht emotional. Nichts. Niemand ist zuständig – obwohl meine Augen deutliche Auswirkungen auf mein Leben haben.

Ich schlage mich weiter durch, irgendwie. Nach außen hin spiele ich Business as usual. Ich kann sehr viel weniger Aufträge annehmen, die Folgen kannst du dir denken. Niemand weiß etwas. Niemand merkt etwas. Ich schon. Anonym augenkrank.

3 zentrale Erkenntnisse – die auch für dich zutreffen

  1. Ein ausschlaggebender Grund, warum ich im Alten hängenblieb: Ich hatte viel, sehr viel Geld in Weiterbildungen investiert. Ich hatte ein tolles kollegiales Netzwerk. Ich hatte meine Überzeugungen zum Beruf gemacht. Mein Beruf und Ich, wir waren eine Einheit. Ich wollte nicht weg von ihm. Mein Kopf sagt das eine, mein ganzes Ich sagte etwas Anderes.
  2. Alle Karrierecoachings und Beratungen hatten einen großen Fehler oder eigentlich zwei: Sie schauten nur nach der möglichen Zukunft, ganz praktisch. Seele, Identität, echte Veränderungsfaktoren? Spielten keine Rolle.
  3. In diesem Niemandsland zwischen normal gesund und behindert ist es schwer, sich selbst zu glauben, dass es „schlimm genug“ ist. Da braucht es Menschen von Außen, die helfen, dass wir uns selbst ernstnehmen.

Wie so oft im Leben muss es krasser kommen für eine echte Veränderung. 2018 hatten sich meine Augen so verschlechtert, dass diese toughe berufliche Realität und meine Augen wirklich nicht mehr zusammen passten.

Wieder suche ich nach neuen Lösungen. Erst jetzt kümmere ich mich wirklich um mich und nehme mich ernst.

Und begriff, was zentral dazu beigetragen hatte, dass mir vorher kein Neubeginn gelingen mochte:

Ohne Abschied gibt es keinen Neubeginn

You cannot say hello, when you cannot say goodbye.

(Quelle unbekannt, gehört von Jakob van Wielink)

Während eines Retreats, in dem es um Zukunftsvisionen geht, fühle ich deutlich: Solange ich „einfach“ und „irgendwie“ weitermache, hänge ich fest. Hänge ich fest in meiner alten Identität, bin ich Teil von Kollegennetzwerken, diskutiere ich mit über internationale Zusammenarbeit, über neue Ansätze und Methodiken. Weil ich weiter dazugehören möchte, weil es mein Leben ist. Mein Leben seit 18 Jahren.

Mir hilft, dass sich diese Erkenntnis absolut deckt mit Allem, was ich fachlich zum Thema Veränderungsbegleitung weiß. Ich hatte dieses Wissen nur verdrängt in Bezug auf mich persönlich. (Zum Beispiel: William Bridges Transition Model)

Echter innerer, würde- und respektvoller Abschied kommt vor Neubeginn, immer.

Anne Niesen – Sehheldin

Ich weiß: Wenn ich mich jetzt nicht bewusst von dieser beruflichen Identität verabschiede, wird es keine neue Zukunft für mich geben. Ich hänge fest im Alten. Mein Herz hängt fest in dem, was meine Augen schon lange nicht mehr leisten können.

Schlussstrich. Ich muss einen bewussten Schlussstrich ziehen. Bewusst Abschied nehmen vom alten Ich. Diese Entscheidung für meine Zukunft, ist jetzt das, was das Leben von mir fragt.

Es kostet mich viel Mut, denn ich habe Angst vor dieser Zukunft, die noch völlig undeutlich ist. Von etwas Abschied nehmen ohne Plan B? Vor Allem, ohne einen Plan B, auf den ich Lust habe? Das geht gegen alles, was meine inneren Glaubenssätze mir suggerieren. Mein Sicherheitsbedürfnis rebelliert und macht Stress. Aber es hilft nicht: Jenseits meiner Ängste liegt meine Zukunft. Das weiß ich.

Ich kontaktiere irgendwann 2018 alle Netzwerkpartner und Kunden und sage Bescheid, dass ich keine Trainings und Workshops mehr durchführe. Es tut weh, richtig weh und danach könnte ich springen vor Erleichterung. Eine schwere Last ist mir von meinen Schultern gefallen.

Das ist der erste Schritt des langen inneren Abschiedprozesses, in dem ich sehr viele kleine und große innere Schritte gehe:

  • Wertschätzung meines alten Lebens: Ich mache mir klar, was wunderbar war im alten Leben und bedanke mich bei ihm und bei mir.
  • Ich mache mir genauso deutlich: Welche Menschen, Erfahrungen, welches Wissen hat mich im alten Leben getragen? Schon alleine diese Übung macht unglaubliche Freude. Wow, so viel? Das hatte ich mir nie deutlich gemacht.
  • Was davon passt noch in mein neues Leben und was muss zurückbleiben im alten?
  • Ich sage „danke“ in einem Ritual nur für mich. Mein altes Leben soll nicht einfach verschwinden. Ich möchte es würdigen und gleichzeitig ganz bewusst sagen: Ich liebe dich, danke für alles und nun gehören wir nicht mehr auf die gleiche Art und Weise zusammen.

Ja zu (m)einer Zukunft!

Es macht mich stolz, dass ich meinen Werten gefolgt bin, mich nicht von meinen Ängsten habe knebeln lassen. Weil ich für mich eine Wahl getroffen habe. Die entscheidende: Die Wahl zwischen Vergangenheit und neuen Möglichkeiten. Die Wahl zwischen Hängenbleiben im Alten, als Opfer der Umstände oder die Verantwortung für mein Leben zu übernehmen und mich für meine Zukunft zu entscheiden.

Die Zukunft ist unsicher. Sie macht Angst, sehr viel Angst – einerseits. Jetzt lockt sie auch und sagt: „Liebe Anne, komm. Traue dich. Behalte Mut und Zuversicht. Dein ganzes Wissen, deine vielen Lebenserfahrungen, deine Einstellung zum Leben – sie werden dich tragen. Es gibt ein neues Leben für dich. Vertraue darauf.“

Liebe Zukunft, ich bin gespannt, was du bringen wirst.

You cannot say hello, when you cannot say goodbye.

Deine Zukunft wartet, auf was wartest du?

Liebe Mit-Held*in, was weiß dein Kopf schon, was dein Herz noch nicht schafft? Für welchen Abschied benötigst du Mut und Zuversicht? Welche Vergangenheit steht deiner Zukunft im Weg?


Mach es dir leichter als ich!: Alleine ist dieser echte, bewusste Abschied fast unmöglich. Unmenschlich. Hart. Mach es dir leichter und arbeite mit mir zusammen. Ich verstehe dich – und darum werde ich dich ermutigen, anfeuern und auch mal liebevoll weiterstupsen. Schreibe an hallo@sehheldin.eu.

Skip to content