„Du musst akzeptieren, dass du jetzt diese Krankheit und diese Beeinträchtigung hast.“
Dieser Satz wird selten in neutralem Ton geäußert, Er formuliert einen Anspruch an dich: So geht das nicht mit dem Kranksein, mach das mal anders.
Diese Aussage habe ich schon von so einigen gehört, selbst von vermeintlichen Fachleuten.
Der Satz hat die Kraft, dich ins Mark zu treffen und zu erschüttern, deine Selbstzweifel zu aktivieren oder ein schlechtes Gewissen zu machen. Noch schlimmer: Dieser Satz hat zerstörerische Kraft, weil du ihn vielleicht übernimmst und dir Selbstvorwürfe machst: „Jetzt muss ich das doch endlich mal akzeptieren. Wieso gelingt mir das nicht? Stell dich nicht so an. Bei anderen läuft es auch nicht immer Bestens.“
Bitte tue das nicht! Denn damit machst du dich selbst klein, so klein, dass du dich nicht mehr wichtig genug findest, um herauszufinden, was dir jetzt wirklich gut tun und weiterhelfen würde.
Einschub: Wenn ich von Krankheit rede, meine ich in erster Linie Krankheiten, die sozusagen „sind“: Chronische Krankheiten, Augenerkrankungen, Folgen von Krebserkrankungen, Long Covid. Nicht lebensbedrohend, sondern täglich bei dir.
! Diese Art von falsch-verstandener Akzeptanz hilft dir nicht für dein Leben mit deiner Krankheit, im Gegenteil !
Und doch stimmt es: Der Schlüssel zu einem, deinem, erfüllten Leben ist, wenn es dir gelingt deine Krankheit zu akzeptieren.
„Was, jetzt doch?“ denkst du jetzt vielleicht.
Ja! zu Akzeptanz – aber anders
Lass mich dir daher erzählen, welche Definition von „Akzeptanz“ mich überzeugt hat.
Ach so, ja:
- Du musst überhaupt nichts. Du kannst, wenn du das für dich so entscheidest.
So, das nimmt doch schon mal ein wenig von der Ladung und dem Anspruch, oder?
„Deine Krankheit akzeptieren“ heißt nicht „über allem stehen“!
Lange habe ich mich unter einen enormen Erwartungsdruck gesetzt, weil ich „Akzeptieren“ völlig falsch verstanden hatte. Lange haben mich dermaßen hingeworfene Sätze verletzen können, weil ich mich noch nie damit beschäftigt hatte, was es wirklich bedeuteten könnte, dieses „Annehmen einer Krankheit“.
Lange dachte ich, es bedeutet, dass ich über allem stehen muss. Fröhlich pfeifend täglich durchs Leben ohne Sorgen, Fragen, Ängste und Gefühle. Ich sehe immer weniger? Kein Problem. Pfeif. Ich kann nicht die Karriere machen, auf die ich Lust habe? Ach, egal. Pfeif. Ich muss meinen geliebten Beruf aufgeben? Macht mir doch nichts aus. Pfeif. Unbeschwerte Tagesausflüge gehören der Vergangenheit an. Ach, dann eben nicht. Pfeif. Ich kann diesen schönen Auftrag nicht annehmen? Ach egal. Pfeif.
Wie unmenschlich dieser Gedanke doch ist!
Ich googelte und las und forschte und fand immer wieder die folgende Definition, bei der ich aus tiefstem Herzen fühlte: Ja, das macht Sinn für mich. Ja, das will ich für mich, mein Leben, meine schöne Zukunft. Das will ich auch für alle in meiner Situation.
Was es heißt, deine Krankheit zu akzeptieren
Deine Krankheit akzeptieren heißt, dass du sie als deine Realität annimmst. Dass du akzeptierst, dass sie jetzt zu deinem Leben gehört. Mit allem, was dazugehört: Mit allen Verlusten, allen Schmerzen, allen täglichen Auswirkungen auf dein Leben, allen einschneidenden Veränderungen und allen Gefühlen.
Es bedeutet, dass du dich deinem neuen Leben ganz bewusst stellst und für dich herausfindest, wer du nun sein willst in deiner neuen Wirklichkeit.
Im Klartext heißt das:
Wenn du deine Krankheit akzeptieren willst, heißt das nicht
- Drüber stehen
- Nie mehr traurig, wütend oder niedergeschlagen sein
- Ständig gut drauf pfeifend durchs Leben zu gehen
Wenn du deine Krankheit akzeptierst, dann heißt das
Du akzeptierst deine Krankheit und deine Einschränkungen als Teil deiner neuen Wirklichkeit.
Du weißt in Kopf und Herz: So ist das jetzt. Diese Krankheit und diese körperlichen Einschränkungen gehören jetzt zu meinem Leben. Das hätte ich mir so nicht beim Universum bestellt, aber jetzt, wo dies täglich Teil meines Lebens ist, möchte ich nicht Opfer meiner Krankheit sein, sondern der Mensch bleiben, der ich immer war: Der Mensch, der sein Leben in die Hand nimmt und Schritt für Schritt ein neues Leben für sich erobert.
Ist es leicht? Nein.
Glaube niemanden, der sagt, dass es leicht ist. Dass du nur zwei Glaubenssätze in dir verändern und eine Medizin schlucken musst und dann bist du da.
Nein, es gehört schon ein wenig mehr Einsatz dazu von deiner Seite.
Es geht ja um dein ganzes Leben. Es geht um existentielle Fragen: Wie definierst du jetzt ein erfolgreiches Leben für dich? Welche Beziehungen stärken dich? Wie gehst du um mit Ängsten, die zu den Verlusten gehören? Wie gehst du damit um, dass sich Beziehungen verändern? Was veränderst du in dir, damit deine ganze Persönlichkeit zusammenpasst mit deinem Körper? Was tust du, damit es nicht gefühlt nur weniger wird, sondern anders?
Ist es machbar und bereichernd? Ja!
Aber weißt du was: Es ist eine Aufgabe, die absolut machbar ist.
Und noch schöner: Es ist eine Aufgabe, die dein Leben bereichert. Denn du fühlst, dass du Führungskraft in deinem Leben bist. Dass du dir etwas erschaffst. Dass du nicht den Kopf in den Sand steckst, sondern mutig und voller Zuversicht dein Leben lebst. Dass du den Mut hast, dich immer wieder aus deiner Komfortzone zu wagen, weil du fühlst, wie viel reicher dein Leben wird dadurch, wie viel freier du dich fühlst.
Gut, zu wissen für deine Reise zur Akzeptanz
- Akzeptieren ist ein Verb, ein „Tu-Wort“ – das heißt, es passiert nicht von selbst! Deine Mitarbeit ist gefragt.
- Das gibt dir das wunderbare Gefühl, nicht Opfer zu sein, sondern eine’r, die bewusst das eigene Leben gestaltet. Auch in schwierigen Lebenssituationen.
- Es gibt nicht den einen Weg, wie du das für dich schaffen kannst. Es gibt nur deinen Weg
- Aber natürlich gibt es grundsätzliche theoretisch fundierte Erkenntnisse, die dir helfen, deinen eigenen Weg zu finden.
- Bitte erwarte nie von dir, dass du jetzt eine Art Goldmedaille anstrebst als Mensch, der das mit der Akzeptanz so richtig gut hinbekommt. Das macht nur zusätzlichen Druck. Und außerdem: Was ist richtig gut?
- Wichtig ist, dass die Richtung für dich stimmt und dass du dich auf diese Reise begibst (wenn du das möchtest)
Das bringt es dir, dein neues Leben anzunehmen
- Wenn du wirklich und in allen Facetten für dich annehmen kannst, dass und wie deine Krankheit dein Leben verändert, dann stehst du mit beiden Beinen in deiner neuen Realität.
- Du verschwendest keine Kraft daran, dein Leben aus Versehen so zu leben, dass es zu deinem alten Ich passt, aber nicht zu deinem neuen.
- Dann ist in dir Raum für alle Gefühle: Die angenehmen und die weniger angenehmen. Dann blockieren Sorgen, Ängste oder Wut nicht deine Freude und deine schöne, lebenswerte Zukunft.
- Wenn du wirklich annehmen kannst, was dir da passiert, dann entstehen in dir neue Ideen, neue Freude und deine neue Vision für dein Leben mit deiner Krankheit.
Daran erkennst du, dass du auf gutem Weg bist, deine Krankheit zu akzeptieren:
- Du kaufst nicht nur zwei Hilfsmittel und machst ansonsten einfach weiter wie bisher. Es geht um so viel mehr als praktische Anpassungen!
- Stattdessen hast du den Mut, eine ehrliche Bestandsaufnahme zu machen: Was heißt dies für mein Leben jetzt? Was nehme ich mit aus meinem alten Leben, weil es genau das ist, was mein Leben jetzt braucht? Wovon verabschiede ich mich liebevoll, weil es zu meinem Leben und mir nicht mehr passt? (Das können sehr konkrete Dinge sein, wie Karriere- oder andere Zukunftspläne, aber auch innere Überzeugungen oder Wertvorstellungen). Was brauche ich, um mein „und“ zu leben (Link zu Blogartikel)
- Du spielst nichts runter. Wenn eine Krankheit dein Leben verändert, dann ist das eine einschneidende Veränderung und Krise. Runterspielen heißt, dich nicht ernst zu nehmen und den Veränderungen nicht begegnen zu wollen.
- Stattdessen bist du ehrlich zu dir und siehst, dass dein Leben dich gerade fragt etwas anzunehmen, was wirklich ein ganz schöner Brocken ist und sehr viel von dem ins Wanken bringt, was du dir für dein Leben vorgestellt hast. Nicht klein- und nicht großgeredet, sondern ehrlich und vor allem: Liebevoll.
- Du bretterst nicht über deine Gefühle drüber.
Stattdessen weißt du: Traurigkeit gehört dazu, das ist kein angenehmes Gefühl, aber ein heilsames, menschliches, natürliches. Gut zu wissen: Traurigkeit geht nicht weg, wenn du sie ignorierst, sondern macht sich nur anders bemerkbar, in schlechter Atmung oder dumpfen Lebensgefühl zum Beispiel.
(Wut gehört auch dazu!) - Du überlegst dir immer wieder: Was habe ich jetzt nötig, um den nächsten Schritt für mich setzen zu können? Was habe ich jetzt nötig, um für mich und mein Leben eintreten zu können und das auch zu tun? Was brauche ich, ich als Mensch, für mein gutes, reiches Leben?
Lieber Sehheld, liebe Sehheldin. Was dir dein Leben da serviert, ist nicht lapidar, gar nicht. Akzeptieren ist vielleicht das Letzte, was dir gerade machbar erscheint. Auch noch Arbeit, wo du gerade so viel Sehnsucht danach hast, dass es einfach ist. Oh, das verstehe ich, wirklich. Und doch sage ich aus Erfahrung: Es bringt richtig viel, die Entscheidung für dich zu treffen, auf die Suche zu gehen nach deinem besten neuen Leben mit allem, was dazu gehört.
Je nachdem, was deine Situation heute ist, kann das für im Moment auch heißen: Wirklich richtig traurig sein. Nicht weiter wissen. Mal eine Zeitlang nichts von dir verlangen. Und in diesem Nebel bewusste, kleine Schritte für dich setzen. Dinge, zu tun, von denen du fühlst, dass sie dir gut tun.
Und dir vertrauen. Du wirst merken, wann du den nächsten Schritt gehen möchtest für dich. Deinen nächsten Schritt für dein neues Leben: Einen ganz kleinen vorsichtigen oder einen riesengroßen. Genau, wie es passt.
Dann bin ich hier und entwickele gemeinsam mit dir Ideen, welcher Weg für dich genau der Richtige ist. Dein Weg. In deinem Tempo. Denn gemeinsam ist einfacher, was nicht leicht ist.
Du fühlst: Hey, das will ich erfahren, dieses „Tun“ für dich selbst? Die Erleichterung, wenn du nichts musst und ganz viel entstehen kann? Dann könnte mein Angebot ATEMPAUSE genau das Richtige für dich sein!
Hallo liebe Anne,
für deinen Artikel danke ich dir sehr. Du sprichst mir aus dem Herzen❣️ Das Schwierigste ist oftmals die Akzeptanz von Dingen, die wir nicht haben möchten. Wenn das allerdings geschafft ist, ist es auch das Schönste. Nicht mehr gegen sich selber und Tatsachen kämpfen zu müssen sorgt für Freiheit.
Auch deine praktischen Tipps finde ich hilfreich.
Hallo liebe Ilonka, es freut mich, dass unsere Gedanken sich spiegeln. Diese Erkenntnis hat mich tatsächlich befreit so wie dich anscheinend auch. Auch, dass Akzeptieren nicht heißt, nie traurig zu sein. Wie unmenschlich ist diese Idee! Das hat mir ermöglicht, nicht mehr wegzudrücken oder vorbeizusehen. Menschlichkeit finde ich so wichtig. Urteile weglassen. Und in Schritten, die zu uns jeweils passen, diesen Lebensprozess zu durchlaufen. Ich laufe auch mal Schleifen oder fange nochmal fast neu an, wenn etwas sich verändert hat. Zu wissen, DAS ist gesund und menschlich, hilft enorm, nicht gegen anzukämpfen. Und dadurch frei zu sein. Danke dir für deine Reaktion, das bedeutet mir viel. Anne
Danke Anne für diesen Artikel. Ein ganz wichtiges Thema. Ich habe im Mai erfahren, dass ich eine äußerst seltene Autoimmunerkrankung habe, die mir eingebracht hatte kaum noch laufen zu können, ständig zu stürzen. Daneben war die Haut massiv befallen. Sehr unschön. Mittlerweile ich die Akutphase wie man so schön sagt, wohl fast vorbei. Ich habe den Eindruck, jeden Tag stabiler zu werden. Ich war schon fast froh, dass das Thema einen Namen bekommen hat und der Lauf von Arzt zu Arzt, die nicht wussten was los ist eine Ende hatte. Wichtig war für mich in die Analyse zu gehen, warum mir das passiert und was da wohl psychisch eine Ursache gesetzt hat. Ich weiß jetzt ,dass es unterdrückte Wut ist, die da richtig wütete in mir. Kontrollverlust, angewiesen sein, kannte ich bisher nicht. Keine schöne, aber eine wichtige Erfahrung, die mich vollständig macht. Krankheit annehmen bietet daher reichlich Chance.
Liebe Anne Claire, das hört sich nach einem massiven Einschnitt an, auf allen Ebenen. Was meinst du damit, dass die Akutphase fast vorbei ist? Pendelt es sich dann auf einem anderen Niveau ein? Wie wunderbar zu lesen, dass du auf die Suche für dich gehst, was du tun kannst in dieser Lebenssituation. Ich spreche ja auch immer davon, dass wir eine Entscheidung treffen und Verantwortung übernehmen dürfen, ob wir Opfer einer Krankheit sein wollen oder nicht. Und ja: Ich hatte auch immer eine sehr starke Tendenz dazu, autonom sein zu wollen. Das ist ja ein menschliches Grundbedürfnis. Mich hat es auch befreit, darüber nachzudenken: Wie definiere ich das neu? Ist es nicht auch autonom, selbstverständlich um Hilfe zu fragen und gleichzeitig zu schauen, was ich selbst tun kann? Was bleibt, sind Gefühle. Ein wenig höre ich bei dir heraus, dass du ganz vielleicht so viel von dir und deiner Verantwortung erwartest, dass Traurigkeit und andere weniger angenehmen Gefühle wenig Raum haben. Bist du auch liebevoll mit dir? Ich kenne zumindest die Gefahr, dass wir starke Frauen zu „Turbo-Akzeptiererinnen“ werden möchten. Sei mutig und liebevoll, Anne
Liebe Anne, Danke für diesen positiven Artikel. Alles ist ein Prozess und es dauert, bis man etwas Verändertes oder Unvermeidliches annehmen kann. Aus eigener Trauererfahrung, bei der ich Sterbende begleitete und wir als Familie den plötzlichen Herztod meines Schwagers verkraften mussten, weiß ich darum, dass damit ein Trauerprozess verbunden ist. Ja, es geht ums Annehmen der Trauer bzw. des Verlustes. Aber auch das dauert und vollzieht sich in Phasen. Ich bin der Meinung, Trauer endet nie, es ist nur die Frage, wie du sie in dein Leben integrierst und ihr einen Platz gibst, an dem sie sein darf! Deshalb ist deine Arbeit so wichtig wertvoll! Danke, dass du dieses Thema in die Gesellschaft bringst! Liebe Grüße Nicole
Ja, liebe Nicole, und wichtig finde ich auch, diesen Themen die Schwere zu nehmen! Viele Menschen verbinden zum Beispiel Trauer auch mit der Idee, dass die Welt dann still steht, nichts mehr geht. Aber das ist gar nicht gemeint: Das kann so sein, aber oft ist es auch etwas Leises, was eben ab und zu mal bei uns ist. Natürlich. Heilsam. Dem Wort den Schrecken zu nehmen eröffnet so viel Türen. So ging es mir jedenfalls. Danke für dein schönes Feedback und deine Wertschätzung! Anne