Teil 2 meines Artikels: 5 Bedingungen und 3 Beschlüsse für Sonnenwetter (Lichtempfindlichkeit)
„Hallo Anne, hier sitzen wir!“ ruft es aus Richtung des sonnenbeschienen Plätzchens am Rande des Cafés. „Klasse, oder? Wir haben diese schöne Bank gerade noch für uns ergattert.“ Aufgrund meiner Blendempfindlichkeit zu ungefähr der einzige Platz, auf dem ich nicht sitzen kann.
Was mache ich jetzt? Wie reagiere ich? Die zwei strahlen; sie sitzen genau dort, wo sie jetzt gerne sein möchten.
Schritt 1: Innerlich erwachsen sein
Ich richte mich innerlich auf. Aufrechte Körperhaltung macht aufrechten Geist, denke ich. Das habe ich nötig, weil ich sonst vergesse, dass ich auch für mich sorgen will und muss und die Neigung habe, mich anzupassen. (Aber das ist ein anderes Thema)
Freundlich und klar sage ich: „Das ist wirklich ein toller Platz. Leider nicht für mich. Ich bin äußerst blendempfindlich.“ Ich zeige auf meinen Hut und meine Sonnenbrille. „Lasst uns doch nach einem Plätzchen im Halbschatten schauen.“
Das fühlt sich gut an. Erwachsen. Stimmig. Ich atme auf.
Nicht die erwartete Reaktion
Sie schauen enttäuscht. „Schau doch. Die Sonne geht bestimmt in spätestens einer halben Stunde weiter. Das geht doch bestimmt hier, oder?“
Die Bank weist genau in Richtung Sonne. Keine Möglichkeit, mich mit dem Rücken zu ihr zu platzieren. Es schmerzt und sehen kann ich auch nichts mehr. War mein Niederländisch ungenau? Quatsch, so viel Niederländisch kann ich ja nun wirklich.
Nochmals richte ich mich innerlich auf. „Es tut mir wirklich leid. Gerade diese Sonne ist besonders perfide. Ich würde gerne, aber es geht leider nicht.“
Es fühlt sich schon weniger gut an.
Sie versuchen es noch einmal. Erklärt es mir. Ich verstehe es nicht. Es handelt sich um zwei ausgesprochen nette Menschen. Das ist meine erste Reaktion.
Dann meldet sich mein Kopf mit all dem Wissen über Kommunikation. Ich merke: Ich habe es nicht gut gemacht. Ich habe nicht so kommuniziert, dass sie eine Chance hatten, mich wirklich zu verstehen.
Schritt 2: Übernehme Verantwortung für deine Kommunikation
Ich mache mir bewusst:
- Es sind zwei nette Menschen, die mir sicher nichts Böses wollen und keine Voll-Egoisten sind.
- Das heißt: Irgendwo läuft die Kommunikation vermutlich schief.
- Ich denke, dass ich deutlich war, aber für sie ist es nicht deutlich.
Kommunikation:
1. Basisregeln, wenn du kommunizieren willst, was neu für andere ist
- Versetze dich in die Situation der anderen.
- Was verstehen sie schon? Was wissen sie über dich und deine Augen?
- Können sie schon verstehen, wie wichtig es für dich ist? Was die Konsequenzen sind, wenn du es anders tust?
- Menschen fällt es leichter, sich umzustellen, wenn sie verstehen, warum es auch für sie ein Gewinn ist („what is in it for me?“)
- Was brauchen sie von dir?
In meinem Fall hätte vermutlich ausgereicht zu sagen:
„Meine kaputte Netzhaut macht mich sehr, sehr sonnenempfindlich. Das ist dann nicht nur ein bisschen unangenehm, sondern es schmerzt wirklich. Ich kann hier nicht mit euch sitzen, auch, wenn ich das sehr gerne will. Da drüben, der Platz wäre perfekt für einen entspannten Abend.“
2. Kommunikationstipp aus dem Changemanagement
Ich erinnere mich an eine Kommunikationsregel aus dem Changemanagement (Veränderungsbegleitung): Einmal ist keinmal.
Das heißt konkret für dich:
- Sei nicht enttäuscht, wenn es das nächste Mal noch nicht klappt und du deine Botschaft wiederholen musst.
- Es braucht häufig drei Wiederholungen, bevor etwas Neues sich im Gehirn verankert. (Auch in deinem)
- Wiederhole beim nächsten Mal deine Botschaft nochmals und genauso nett. Vermutlich braucht es dann sehr viel weniger Inhalt. Vielleicht reicht ein: „Die Sonne scheint mir hier leider direkt in die Augen. Was hälst du von dem Platz da?“
Es wird noch ein unterhaltsamer Abend, dort auf dem Plätzchen im Halbschatten.
Kommunikation ist nicht leicht. Nur selten kommt genau das an, was du vermitteln möchtest. Vieles passiert auf dem Weg von deinem Gehirn aus deinem Mund in das Gehirn der anderen. Was für dich deutlich ist, kann für einen anderen völlig oder teilweise unklar sein.
Wenn eine*r deine Welt nicht kennt, ist es natürlich noch trickreicher, deine Botschaft oder Information rüberzubringen. Einer, mit der gleichen Blendempfindlichkeit musst du gar nichts erklären, der oder die versteht schon und hat das gleiche Bedürfnis.
Ganz direkt gesagt: Es ist deine Verantwortung, deine Wünsche so in Worte zu packen und so deutlich zu sein – auch in dir selbst – dass deine lieben Mitmenschen eine Chance haben, so zu reagieren, wie du das nötig hast. Und dass sie gleichzeitig verstehen können, dass du nicht einfach nur gerade deine egoistischen fünf Minuten hast, sondern dass es nicht anders geht.
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