(Das Bild zeigt verwaschene orangene Lichtkugeln wie bei kurzsichtigem Sehen)

„Ich bin kurzsichtig.“ „Ja, ich auch. Ganz schön blöd, meine neue Brille hat – 0,5 Dioptrie. “ (I wish).

„Ich habe – 10 Dioptrie. Ein bisschen mehr kurzsichtig also. Aber ich bin dran gewöhnt, nicht schlimm also.“ (Ist das so?)

Dieser Artikel ist für dich

  • wenn du mehr als – 6 Dioptrie hast.
  • wenn du – wie ich lange – dich damit nicht ernst nimmst oder dich alleine fühlst.
  • wenn du noch nicht weißt, dass Kurzsichtigkeit (Myopie) ab – 6 Dioptrie seit 2014 als ernstzunehmende Augenkrankheit eingestuft wird.
  • wenn du denkst, dass Kurzsichtigkeit hauptsächlich eine Frage ist von Brille oder Kontaktlinsen.
  • wenn du Augen-Fachmensch bist, weil mich deine Meinung zu meiner Sicht der Dinge interessiert.

Information Hochgradige Kurzsichtigkeit

Hochgradige Kurzsichtigkeit beginnt offiziell  bei einer Kurzsichtigkeit von – 6 Dioptrie oder noch genauer: Bei einer Achslänge von mindestens 26,5 mm. (normal ist 23,5 mm). Ab dann ist das Risiko für Netzhauterkrankungen oder auch Grüner Star erhöht. Je länger das Auge, je größer werden die Risiken später sehbehindert zu werden.

Weiterführende Links : Artikel der Medical Tribune, Für Eltern: MyopiaCare, ProRetina (bei Netzhautschäden), Myopie.nl (auch auf Englisch). Aus meiner Sicht die beste Information, leider nur auf Niederländisch (vielleicht hilft Google Translate?). Infos zusammengestellt durch verschiedene renommierte Augenkliniken: Oogartsen.nl


Durch meine Facebookgruppe für hochgradig Kurzsichtige und Eltern myoper Kinder weiß ich:

Sehr viele wissen nicht, dass ein fundamentaler, gesundheitlicher (und psychologischer) Unterschied besteht zwischen einer sehr niedrigen Zahl nach dem Minus und dem, was sie haben. Wir waren einfach kurzsichtig, etwas mehr als andere. Brille auf und weiter. Kontaktlinsen rein, um endlich besser zu sehen und von der dicken Brille wegzusein.

Ich habe erst begriffen, dass ich mit meinem – 23 Dioptrie-Augen eine ernsthafte Augenkrankheit habe, als Folgeerscheinungen hinzukamen durch die extreme Ausdünnung der Netzhaut. Selbst als ich mit Anfang 30 eine Graue Star-OP hatte, eine typische Folge von hochgradiger Kurzsichtigkeit, war ich noch im „Brille auf und weiter“-Modus, weil – so meine These – niemand sagte: „Was du bist sehr kurzsichtig? Wie geht es dir damit?“ Weil ich nicht wusste, nichts wusste. Weil ich Millionen Male den ersten Satz im Artikel gehört habe: „Oh ja, ich bin auch kurzsichtig. – 1 Dioptrie.“

(Zunächst und ganz wichtig: Ich will hier niemandem Angst machen! Ich bin wirklich extrem kurzsichtig. Wenn du – 8 Dioptrie hast, sieht dein Leben ganz anders aus und auch deine Prognosen.)

Warum es wichtig ist, eine passende Bezeichnung zu haben, für das, was du hast

Meine Überzeugung:

Wenn wir kein gemeinsames Wort haben für unsere Krankheit, dann nehmen wir sie nicht ernst. Dann bleiben wir unmündige Patient*innen, weil wir keine Fragen stellen, weil wir uns ungenügend informieren. Dann wird es auch von anderen und der Gesellschaft nicht ernst genommen.

Anne Niesen / SEHHELDIN

Wenn du kein Wort hast, wenn du nicht weißt, dass Kurzsichtigkeit eine Krankheit ist, dann suchst du nicht weiter. Dann kümmerst du dich nicht um dich. Dann findest du nicht die besten Lösungen für dich oder dein Kind.

Dann nimmst du dich und deine Gefühle nicht ernst, nicht deine Ängste, nicht deine Sorgen. Du nimmst nicht wahr, was dies alles mit dir macht, welchen Einfluss dies auf dein Leben hat. (Auch entwicklungspychologisch, aber das ist ein anderes Thema)

Darum braucht das Kind einen Namen. Nicht um des Namens willens natürlich. Sondern damit in der gesamten Gesellschaft deutlich ist: Es gibt da Unterschiede. Kurzsichtigkeit ist nicht gleich Kurzsichtigkeit. Damit dir das deutlich ist.

Damit hochgradige Kurzsichtigkeit ernst genommen wird – von allen.

Das mit dem einen Wort ist aber gar nicht so einfach aus verschiedenen Gründen. Ich bin mal auf die Suche gegangen.

Hochgradige Kurzsichtigkeit: Fachbezeichnungen

Myopie ist das offizielle Wort für Kurzsichtigkeit, jede Kurzsichtigkeit. Das ist schon mal gut zu wissen, schon um zu googeln.
Nur dann bist du immer noch nicht gemeint, wenn du über – 6 Dioptrie hast, also hochgradig kurzsichtig bist. Dann bist du in einem Topf mit jeder nicht-krankhaften Schulmyopie

Bei der Recherche stoße ich auf eine Unzahl von Begriffen: Myopia Gravior, pathologische Myopie, Myopia Magna, degenerative Myopie, hohe Myopie, maligne Myopie, progrediente Myopie.

Sind euch diese lateinischen oder griechischen Namen schon begegnet? Könnt ihr als Laien definieren, wo genau die Unterschiede liegen? Oder ob es sich um eine Ansammlung von Synonymen handelt, also von Worten, die das Gleiche bedeuten?

Ich habe viele Stunden gegoogelt und mir ist immer noch nicht absolut klar, wann es sich einfach um ein anderes Wort für die gleiche Sache handelt und wo im Detail die Unterschiede liegen. Jedes Mal, wenn ich denke: Ich verstehe es, verwirrt mich die nächste Information wieder. Verwirrung hat nur eine Folge: Das Gehirn gibt auf. Wir schauen und denken nicht wirklich weiter. Zu viele Worte helfen auch nicht, im Gegenteil. Dann hat das Kind wieder keinen Namen für uns Betroffene.

Was ich wirklich schlimm und gravierend finde

Ausserdem merke ich: Für mich stimmt da was nicht. Etwas, was mich mein ganzes Leben begleitet hat, ohne, dass mir dies richtig bewusst war:

Die Menschen im „Dazwischen“ haben keinen Ort, nirgends. Sind unsichtbar. Wenn du hochgradig myop bist, aber noch einen Visus von 1 hast und keine weiteren gravierenden Netzhautprobleme existiert du quasi nicht.

Du findest glücklicherweise immer mehr Infos für Eltern myoper Kinder (Stichwort: Myopiemanagement) oder für den Fall, dass deine Netzhaut schon sehr angegriffen ist und du unter Umständen täglich massive Einschränkungen erfährst oder sehbehindert bist. Dann fühlen sich Augenorganisationen wie Pro Retina zuständig.


Für alle „dazwischen“ gibt es keinen Ort, nirgends. In diesem dazwischen befand ich mich fast 50 Jahre meines Lebens. „Komm wieder, wenn du sehbehindert bist.“

„Ach, kurzsichtig? Ach, Visus 1? Tut mir leid, dann können wir Ihnen nicht weiterhelfen. Das ist ja rein kosmetisch.“

Das macht unsichtbar. Für alle: Dich selbst und die Gesellschaft. DAS ist der Grund, warum ich meine Facebookgruppe ins Leben gerufen habe. Für alle ab minus 6 Dioptrie. Das ist der Grund, warum ich sie „Heimat für Hochmyope“ genannt habe. Das ist der Grund, warum ich sage: Wenn du einen Ort suchst, du bist von Herzen willkommen. Wir nehmen dich ernst. Hier wirst du nicht hören: „Ach, Visus 1? Ach, nur eine dicke Brille?“. Das ist der Grund, warum ich immer eingreife, wenn jemand schreibt: „Naja, bei mir ist es ja noch nicht schlimm.“. „Naja, bei mir gehts ja nur um die blöde Brille.“ Das ist der Grund, warum ich nicht müde werde zu sagen: Ich sehe dich. Sieh dich. Nehme dich ernst.

Deswegen plädiere ich für einen Oberbegriff. Ein Wort, mit dem alle gemeint sind. Ein Wort, das niemanden ausschließt. Ein Wort, dass sichtbar macht.

Meine Überzeugung: Ein Oberbegriff vereint und stärkt

Früher war es mir völlig unwichtig ein Wort zu haben. Erst seitdem ich mich für die SEHHELDIN so intensiv mit dem Thema beschäftige wird mir klar, was dieses „unsichtbar fühlen“ macht. Was es verhindert, welche Ideen über dich selbst es in dir festigt.

Heute kann ich meinen Beruf nicht mehr ausüben (unter anderem) wegen dieser pathologischen Dingsbums oder hohen Dingens, also dem, was ich jahrelang nur Kurzsichtigkeit nannte. So wie die Menschen mit – 1,0 Dioptrie auch. Nie habe ich mich damit auseinandergesetzt, weil ich nirgends gemeint war.


Es hilft auch nicht, Begriffe zu benutzen, die eher verschleiern als weiter helfen: „Ich bin sehr kurzsichtig“. Wer denkt da schon an Netzhautablösung, Makuladegeneration, Glaukom und welche Folgeerscheinungen es noch alle gibt? Wer denkt dann daran, was es mit einem Teenager macht, eine dicke Brille zu haben? Wer denkt daran, was das für den Sportunterricht bedeuten kann und für unser Selbstbewusstsein? Wer denkt daran, welche unbewussten Sorgen damit verbunden sind?

Nochmal: Ich bin überzeugt: Wenn wir keinen Namen haben für unsere ernsthafte Augenkrankheit, dann hat dies schnell zur Konsequenz, dass wir uns nicht damit auseinandersetzen, sie nicht ernst nehmen und damit in letzter Konsequenz auch, uns selbst nicht ernst nehmen.

Nur was gesehen wird, existiert.

Anne Niesen / SEHHELDIN

Mein übergeordnetes Wort: Hohe Myopie

Was habe ich gegrübelt, bevor ich in der SEHHELDIN von Hoher Myopie sprach, weil es noch nicht etabliert ist. Weil ich damit „Kante“ zeige. Aber dann war mir meine Vision wichtiger.

  1. Ich will einen Namen, der allgemein bekannt ist.
  2. Dies schafft nur eine Bezeichnung, die „kurz und knackig“ ist.
  3. Ich will einen Namen, der alle einschließt mit hochgradiger Kurzsichtigkeit. Also alle ab -6 dpt, egal ob glücklicherweise (noch) ohne gravierende Folgeerscheinungen oder nicht.
  4. Ich will einen international eingeführten Begriff. High myopia ist international schon recht etabliert.


Hohe Myopie: Meine Vision

  1. Zukünftig wissen alle ab – 6 Dioptrien: Ich habe Hohe Myopie.
  2. Optiker benutzen das Wort Hohe Myopie, Ärzte selbstverständlich auch.
  3. Es ist die Bezeichnung, die allgemein verwendet wird.
  4. Fachleute wissen, dass sie dafür besonderes Wissen nötig haben, um uns richtig gut helfen zu können.
  5. Das Wort gibt eine Art „Augenheimat“ und positive Sichtbarkeit.

(Klar, kann ich nicht alles umwerfen, was jetzt Usus ist. Träumen und meinen Teil beitragen, das kann ich sicher)

Ich spreche jetzt also konsequent von Hoher Myopie, auch wenn dies in Deutschland noch fast niemand tut. Ich benutze auch mal pathologische Myopie, wenn es um die extreme Kurzsichtigkeit geht, wie ich sie habe.

Riskiere ich damit Gegenwind? Vermutlich. Ist es die Lösung? Nein, vermutlich nicht. Ein Anstoß? Ja, hoffentlich. Es ist mir auch egal, ob es das Wort „Hoch-Myope“ gibt, ich benutze es einfach. Sprache lebt, oder?

Also, liebe Mit-Hochmyopen, was denkt ihr? Folgst du meiner Argumentation? Und vor Allem: Machst du mit?
Liebe Fachleute, was sagt ihr?


Du bist selbst hochmyop? Dein Kind ist hochgradig kurzsichtig? Dann bist du herzlich willkommen in meiner Facebookgruppe Heimat für Hochmyope.

Du willst für dich selbst sichtbar sein? Du willst dich ab jetzt ernst nehmen? Du willst, dass deine Augen ein Teil von dir sind und nicht ein ungeliebtes Anhängsel?: Dann habe ich was für dich, gratis. (Du erhälst dann auch meinen inspirierenden Newsletter)

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