Dieser Artikel ist für dich, wenn du hochgradig kurzsichtig bist. Wenn du dich jemals für deine Brille geschämt hast. Wenn du jemals wegen deiner Brille gehänselt wurdest. Und wenn du dich deshalb nicht attraktiv und begehrenswert fühlst. (Und auch für dich, wenn du dich wegen irgendetwas Äusserliches schämst)

„Ich schäme mich wegen meiner Brille.“

In meiner Facebookgruppe für Hochmyope lese ich Nachrichten von wunderbaren jungen Frauen und Männern, die sich schämen für ihre Brille. Von Jugendlichen, die berichten, dass sie in der Schule gemobbt werden, weil sie eine Brille tragen. Sie möchten unbedingt herausfinden, was die beste Brille für sie ist und meinen damit eine Brille, die sie als am wenigsten hässlich empfinden. Die Frage ist dann: Welche Gläser sind so dünn wie möglich, damit kaum zu sehen ist, dass sie hochgradig kurzsichtig sind.

Mein Herz blutet. Ich höre und fühle, was da alles nicht gesagt wird. Ich höre und fühle, all die Ängste, den Schmerz und die Unsicherheiten. Ungehört, ungesehen.

Fast nie lese ich in meiner Facebookgruppe for Hochmyope: Mit welchen Gläsern sehe ich am besten? Es geht fast ausschliesslich darum, welche Brillengläser am unauffälligsten sind.

Dahinter verbirgt sich so viel, was überhaupt nichts mit Sehen zu tun hat.

Wenn du, wie ich früher, diese Frage stellst, frage ich dich: Um was geht es wirklich?

Was denkst du über dich selbst?

Ist es:

  • Ich bin hässlich.
  • Niemand findet mich attraktiv.
  • Ich bin nicht sexy. Ich kann gar nicht sexy sein mit so einer Brille.
  • Niemand wird mich jemals attraktiv finden so.

Glaube mir, ich kenne das. So gut. Zu gut.

Glaube mir, so viele kennen das. Du bist so gar nicht alleine in deinem Schmerz. Leider.

Und das kommt nicht von ungefähr.

Keine strahlende Heldin, nirgends.

In Filmen sind die, mit den dicken Brillen immer die Nerds, die komischen Typen, die, die irgendwie verpeilt und einsam im Leben stehen.
Die, mit den dicken Brillen, dass sind die Loser. Das Gegenmodell zu den strahlenden Held*innen. Im besten Falle sind sie intelligent. Aber attraktiv? Fehlanzeige.

Heute macht mich dies so unglaublich wütend.
Wie schwer wird es dir gemacht, hier deinen eigenen Weg zu gehen. Selbstbewusst zu sein. Ein positives Selbstbild zu dir und deinem Körper aufzubauen.

Vielleicht hast du wunderbare Eltern, die dir sagen, wie schön sie dich finden. Aber wem glaubst du mit 14 oder 18 Jahren mehr? Deinen Eltern oder dem, was du täglich überall siehst und hörst in deiner Welt? Eben.

I feel you

Erst seit Kurzem bin ich mir bewusst darüber, wie sehr meine Brille mein Leben bestimmt hat. Nicht nur wie in diesem Artikel beschrieben im Schwimmunterricht und in so vielen praktischen Situationen, sondern auch darin, wie ich auf Jungen und Männer zugegangen bin. Oder eben nicht zugegangen bin, weil ich auch im tiefsten Inneren überzeugt war: Eine mit so einer Brille, die findet niemand sexy.

Damals mit 16…

Meine Mutter erzählt mir die folgende Geschichte:
Ich bin vielleicht 16 Jahre alt. Wie hoch meine Dioptriezahl ist, weiß ich nicht mehr genau, mindestens – 12 Dioptrie, vermutlich etwas mehr.
Ich habe Kontaktlinsen, aber diese kann ich nicht immer tragen. Eine richtig gute Brille soll her von einem richtig guten Optiker.

Nach langem Probieren und Beratschlagen habe ich es gefunden: Das schicke Modell mit etwas breiterem Rahmen, das perfekt zu meinem Gesicht passt.
Meine Mutter erzählt, wie sehr ich mich freute und wie groß meine Hoffnungen waren.
Einige Tage später fahren wir voller Vorfreude dann also wieder zum Optiker.

„Du hast bitterlich geweint als du die fertige Brille mit deinen starken Gläsern sahst.“

Das tollste Modell, die bestmöglichen Gläser und die Welt der 16- jährigen Anne bricht zusammen. Nie soll mich jemand damit sehen. (Was natürlich unmöglich ist.)

Ich verstecke mich, so gut es geht

Ich erinnere mich noch heute an mein (Körper-) Gefühl, wenn ich versuchte, eher unauffällig zu sein, damit niemand merkt, dass ich so eine Brille auf der Nase habe.

Ich verstecke mein ganzes Wesen. Denn wie kann jemand mich toll finden so? Lieber unauffällig sein, dann fällt es vielleicht kaum auf.

Ich erinnere mich an Feste und Ferien, wo ich Jungs höchstens aus der Ferne anhimmelte, weil ich im tiefsten Inneren überzeugt war, dass sie mich sowieso niemals attraktiv finden können.

Ich erinnere mich an die viel zu langen Stunden, die ich meine Kontaktlinsen trug, weil die Idee zu schrecklich war, irgendwo in meiner Brille aufzutauchen.

Ich erinnere mich an Feste, zu denen ich nicht ging, weil die Idee, dass ich da mit Brille sein soll, mir unmöglich erschien.

Das war später noch viel ausgepräger, als Mitte zwanzig war und eine noch dickere Brille hatte.

Wie viel habe ich verpasst. Wie viel Leben ist an mir deswegen vorbei gezogen. Das ist so traurig, oder? Heute will ich diese junge Anne in den Arm nehmen und ihr sagen: Du warst schön. Immer. Lebe!

Nie wurde ich wirklich gehänselt und doch hatte mich jahrzehntelang die feste Überzeugung im Griff, dass eine mit meiner Brille nicht attraktiv ist. Eine wie ich, die kann stark sein, selbstständig, eigen-sinnig. Aber sexy und attraktiv? Nichts in meinem Leben hatte mich gelehrt, dass dies auch die Wahrheit sein könnte.

Fest sass der Glaubenssatz: Ich bin hässlich. So wie die Nerds in den Filmen oder die hässlichen Entlein, die erst dann wahrgenommen werden, als sie endlich ohne Brille dem Prinzen gegenüber stehen.

Meine Überzeugung hatte mich im Griff

Genau: Die Überzeugung hatte mich im Griff. Ich konnte es mir absolut nicht anders vorstellen, als dass die Gleichung so aussieht: Dicke Brille = unattraktiv = nicht begehrenswert.

Heute weiß ich: Es gab so einige Menschen, die mich attraktiv fanden. Manche haben es mir später erzählt, als sie selbst mutiger waren. Aber ich habe es nicht wahrhaben können. Denn ich habe es nicht bemerkt und war 100% überzeugt, dass sie mich „nur nett“ fanden. Sympathisch, eine, mit der man toll reden kann. Aber sexy? Ich doch nicht. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass etwas anderes wahr sein könnte.

Mein Herz blutet für die junge Anne. Die sich erst „erlöst“ fühlte, als sie quasi „dank“ der Staroperationen aufgrund meiner pathologischen Myopie keine dicken Gläser mehr hatte. Da war ich Anfang 30.

Mein Herz blutet für all die wunderbaren, schönen Menschen, die sich hässlich fühlen aufgrund ihrer Brille. Die nie etwas anders sehen oder zu hören bekommen. Dieser Artikel ist für euch.

SEHELDIN Anne Niesen

Siehe deiner Realität ins Auge

  • Ja, Kinder und Jugendliche können hart sein.
  • Ja, eine starke Brille gehört nicht ins gängige Schönheitsideal.
  • Ja, das wird sich vermutlich in der nächsten Zeit nicht ändern.
  • Ja, es wird Menschen geben, die das nicht attraktiv finden.
  • Ja, eine Brille mit – 14 Dioptrie sieht auch mit den teuersten Gläsern nicht nach Durchschnitt aus. Noch weniger eine mit – 20 Dioptrie.

Das ist die unfreundliche Realität, so lange es keine coolen Vorbilder gibt. Keine Insta-Influencer*innen mit dickeren Brillengläsern, keine Hollywoodstars, die der strahlende Held sind in ihrer schönen – 12 Dioptrie Brille.
Menschen sind da schwach und beeinflussbar. Das ist so.

Aber dies ist nur eine Seite. Es gibt noch eine andere Realität. Eine, die du in der Hand hast.

Was ich als junge Frau so gerne gewusst hätte

Liebe junger Mann, liebe junge Frau, mit hoher Kurzsichtigkeit.

Lieber Mensch mit hoher Kurzsichtigkeit. Es ist kein Spruch, ich bin davon überzeugt:

Du bist sexy!

  • Wenn du dich selbst attraktiv findest, ziehst du Menschen an.
  • Wenn du ein positives Selbstbewusstsein ausstrahlst, dann ist das attraktiv.

Ich höre schon dein Lachen: Ja, ja, natürlich. Das glaubst du doch selbst nicht. Doch, das glaube ich. Davon bin ich sogar überzeugt.

Wenn du dich selbst sexy findest:

  • gehst du mit erhobenem Kopf und aufrecht irgendwo hin – das ist sexy.
  • strahlst du aus, dass du dich magst – das ist sexy.
  • lachst du herzlich und lässt alle sehen, wie toll du bist – das ist sexy.
  • merkst du, wenn jemand dich gut findet – sexy.
  • bist du einfach du selbst. – auch sexy.

Dann bist du keine verhuschte Maus oder keiner der denkt, er muss Witze reißen, um irgendwie anders auf sich aufmerksam zu machen,. Dann bist du ein selbstbewusster Mensch, der mit der Brille gelassen raus geht, wissend: Ja, es fällt auf. Ja, es findet nicht jede*r schön. Und ja: ich bin attraktiv und ziehe die richtigen Menschen an.

Das Verrückte ist: Wenn ich Bilder von den schönen jungen Menschen sehe, die sich so sehr für ihre Brillen schämen, denke ich oft: Sah ich früher vielleicht auch so strahlend und gut aus?

Das Verrückte ist: Wenn ich jetzt zurück denke, habe ich immer dann jemanden kennengelernt, wenn ich mich nicht besonders schön gemacht hatte. Wenn es mir einfach gut ging. Und nein, sie waren nicht sofort wieder weg, als sie mich dann in meiner Brille sahen.

Wir können sie nicht plötzlich herzaubern, die coolen, attraktiven kurzsichtigen Held*innen mit starken Brillen. Auch heute wirst du vermutlich kein Vorbild finden. (Wenn doch, lass es hier wissen!)

Es gibt nur eine Lösung:
Sei eine Sehheldin. Sei ein Sehheld. Und zeige der Welt, wie attraktiv du bist. Wie cool. Wie sexy. Weil du du bist. Ein wunderbarer Mensch, der an sich glaubt.

Anne Niesen | SEHHELDIN

Erzähle mir: Findest du dich in meiner Beschreibung wieder?

Erzähle mir: Was möchtest du für dich in dir verändern, damut du eine strahlende, Selbstbewusste Sehheldin sein kannst?

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