„Hast du schon mal daran gedacht, eine Therapie zu machen?“ wurde neulich wieder einmal in einer Facebookgruppe einem Menschen angeraten. In einer Situation, in der eine Therapie vermutlich nicht zu der gewünschten Lösung führen würde und vor Allem: Ohne, dass deutlich war, worum es wirklich ging. So als die Antwort auf alles und gefolgt von dem Satz: „wenn du es anders nicht hinbekommst.“ Oh je, nein, da sind doch noch einige Fragen offen.

Was ich merke ist: Dass wir professionellen Coaches und auch Therapeut*innen deutlicher machen müssen, wofür wir stehen und was unser Berufsverständnis ist.

Für dich als Lai*in ist es tatsächlich nicht einfach, vor einer Zusammenarbeit zu entscheiden, wer dir gerade jetzt bei genau deiner Fragestellung wirklich weiterhelfen kann. Denn schließlich willst du ja das bestmögliche Ergebnis für dein Geld!

Hier also mein Versuch, dir eine kleine Entscheidungshilfe an die Hand zu geben:

  • Was passt zu deiner Fragestellung: Therapie oder Coaching?
  • Was ist grob der Unterschied zwischen den Berufen?
  • Was wirklich wichtig ist bei deiner Auswahl einer professionellen Begleitung
  • Und zum Schluss: Zwei konkrete Beispiele

Ich arbeit seit 2000 als (systemischer) Coach und lasse mich regelmäßig von Coaches und von Therapeut*innen begleiten. (Entwicklung und Lernen, da werde ich glücklich von)


Coaching oder Therapie?: Das solltest du verstehen

  1. Es gibt deutliche Unterschiede und durchaus auch Gemeinsamkeiten zwischen den Berufsgruppen. Als systemischer Coach zum Beispiel habe ich die gleiche Grundausbildung wie eine sytemische Therapeutin.
  2. In der Regel arbeiten Coaches eher zukunfts- und lösungsorientiert und Therapeut*innen sind eher zuständig, wenn es um die Auflösung tiefsitzender Muster und Wunden aus deiner Vergangenheit oder Kindheit geht.
  3. Es ist nicht schwarz-weiß: Es gibt Mischformen. Aufgrund meiner vielen Weiterbildungen und Erfahrungen ist mein Coaching oft auch anteilig therapeutisch wirksam. Und es gibt Therapeut*innen, die auch Coachingwerkzeuge einsetzen.
  4. Egal ob Therapeutin oder Coach: Alle können hochgradig professionell sein, Mittelmaß oder richtig schlecht. Wie in jeder Berufsgruppe: Alle Friseurinnen habe eine 3-jährige Ausbildung durchlaufen, nicht alle schneiden genial. Das hat mit Talent, Leidenschaft und ständiger Weiterbildung zu tun.
  5. Coach ist in Deutschland keine geschützte Berufsbezeichnung. Jede*r, wirklich jede*r darf sich Coach nennen. Das ist ein großes Ärgernis für uns, die sehr viele Weiterbildungsstunden und Euros für ihre Professionalisierung einsetzen. Für dich ist es wichtig zu wissen: Nicht überall wo Coaching draufsteht, ist professionelles Coaching drin.
  6. Therapie ist oft eine Langzeitbegleitung. Ein Coachingprozess ist auf kürzere Begleitung auf ein bestimmtes Ziel hin ausgelegt. Manchmal lassen sich Menschen auch länger begleiten, dann habe ich als Coach eher die Rolle einer Sparringspartnerin, um die eigenen Ideen, Fragen und Entscheidungen zu reflektieren.
  7. Wenn du grundsätzlich ein gesunder Mensch bist, sind für dich weder ein Coaching noch eine Therapie „nötig“. Wenn du keine klinische Depression oder Angststörung (zum Beispiel) zu bewältigen hast, dann sind beide Formen etwas für Menschen, die Lust haben, sich innere Hindernisse aus dem Weg zu räumen, sich weiterzuentwickeln und neue Perspektiven für sich zu gewinnen, auf die sie alleine so nicht gekommen wären.
    Unternehmen zum Beispiel, die eine exzellente Personalentwicklung haben, bieten Führungscoaching den engagierten Mitarbeiter*innen an, die Lust haben, Neues für sich zu lernen und sich als Mensch und Führungskraft weiterzuentwickeln.

Die finanzielle Seite: Kostenübernahme bei Therapie – (k)ein Grund?


Wenn ich Posts gerade bei Facebook lese, bekomme ich den Eindruck, dass Therapie oft favorisiert wird, weil die Krankenkassen unter Umständen die Kosten übernehmen. Diesen Impuls verstehe ich gut, wenn Geld gerade sehr knapp ist. Coaching wird leider nie übernommen. (kann aber unter Umständen steuerlich abgesetzt werden!)

3 Punkte für deine Entscheidung für oder gegen Therapie mit Kostenübernahme

  1. Von den Krankenkassen werden nur bestimmte Therapieformen übernommen. Das ist historisch bedingt und hat durchaus auch etwas mit gelungener Lobbyarbeit zu tun.
  2. Eine Kostenübernahme erfolgt bei „Störungen“ und „Krankheiten“. Zitat von der Website der Barmer Ersatzkasse: „Die gesetzlichen Krankenversicherungen übernehmen die gesamten Kosten einer Psychotherapie, wenn eine seelische Erkrankung bzw. eine Störung mit Krankheitswert vorliegt. Beispiele hierfür sind Angststörungen, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen und Suchterkrankungen.”
  3. Viele sehr wirksame Therapieformen werden nicht übernommen. Zum Beispiel systemische Therapie, Logotherapie, körperorientierte Therapie oder die meisten modernen Traumatherapie-Ansätze müssen selbst bezahlt werden.

Ich habe immer versucht, Therapien möglichst selbst zu bezahlen, weil ich dann einerseits frei war in der Auswahl meiner Therapeutinnen und andererseits mich nicht selbst pathologisieren musste, nur um für eine Kostenübernahme in Frage zu kommen.

Denn für mich, wie für sehr viele, trifft glücklicherweise keines der oben genannten Kriterien zu, ich war nie „krank“ im Krankenkassensinn.

Auch gut zu wissen: Viele private Versicherungen zum Beispiel zur Berufsunfähigkeit etc fragen nach Therapiehintergrund. Dieser führt dann u.U zu Ausschlusskriterien oder zu einem höheren Beitrag. (Das finde ich nicht mehr von dieser Zeit, aber es ist Fakt.)

Frage dich vor deiner Entscheidung:

  • Angenommen, Geld spielte keine Rolle, würde ich dann genau zu dieser Therapeutin mit dieser Therapieausrichtung gehen?
  • Angenommen, Geld spielte keine Rolle, welche Dienstleistung passt wirklich zu meinen Fragestellungen?


Coaching oder Therapie?: Grundlegende Tipps, die dir die Entscheidung erleichtern

  1. Bei einer schweren Depression, blockierenden Entwicklungstraumata oder einer Angststörung zum Beispiel sind Therapeut*innen zuständig. Dafür bin ich als Coach nicht ausgebildet!
  2. Coaches arbeiten in der Regel gemeinsam mit dir auf konkrete Ziele hin oder unterstützen dich dabei, hilfreiche Kompetenzen zu entwickeln. Tiefliegende Muster können eine Rolle spielen, müssen es aber nicht. Je nachdem, was du erreichen willst.
  3. Auskunft geben über eigenen fachlichen Hintergrund oder Haltung zur eigenen Arbeit: Ich persönlich arbeite mit keiner Fachperson zusammen, die im Vorfeld nicht bereit ist, auf meine detaillierten Fragen zu antworten. Dann suche ich weiter. Immer.
  4. Beziehung, Beziehung, Beziehung
    Wenn du sonst nichts liest, lies dies :).
    Erwiesenermaßen hängt ein großer Teil einer erfolgreichen Zusammenarbeit davon ab, dass die Beziehung zwischen euch stimmt. Nur, wenn du deiner Therapeutin oder deiner Coach vertraust und dich absolut wohl, gehört und gesehen fühlst, wird eure Zusammenarbeit erfolgreich sein. Sonst hilft keine Erfahrung, kein Werkzeug und kein Zertifikat!
  5. Höre da unbedingt auf dein Bauchgefühl! Wenn du dich nicht gut informiert, gehört und gesehen fühlst in deinen Anliegen und in deiner Persönlichkeit, suche weiter. Unbedingt. Besonders, wenn du das ansprichst und es verändert sich nichts. Vertraue deinem Bauchgefühl. Wirklich.
  6. Werde dir zu Beginn deiner Suche nach der richtigen Expertin bewusst über deine Ziele: Worum geht es dir? Was willst du erreichen? Was ist dir in einer Zusammenarbeit wichtig?
    Deine Antworten werden dir a) eine grobe Idee geben, ob dir eine Therapie oder ein Coaching mehr bringen wird und b) auf welche Faktoren du bei deiner Suche achten willst.

Alles noch zu theoretisch? HIer kommen

2 Beispiele aus meiner Praxis: Therapie oder Coaching oder beides?

Beispiel 1: „Ich muss mich umorientieren“.

„Ich hänge gerade fest. Es ist klar: Ich kann so nicht weiterarbeiten. Ich bewege mich Richtung Burn-Out. Die Arbeitsstunden sind einfach zu viel und die vielen Dienstreisen. Ich weiß, ich muss mich umorientieren und bin auch schon dabei, mich zu bewerben. Na ja, ein bisschen halbherzig. Ich plane und mache und doch gelingt mir kein Neustart. Irgendwie habe ich auch keine echte Vision für mein Leben. Es geht mir gerade richtig schlecht, weil ich hängenbleibe mich fühle mich wie der letzte Verlierer.“

Das ist ein absolut klassisches Coachinganliegen. Ein gesunder Mensch, der gesunde Gefühle empfindet in einer schwierigen Lebenssituation. Ein vernünftiger Mensch, der weiß: Das sollte ich jetzt tun und dem es aus (für mich) nachvollziehbaren Gründen nicht gelingt, in eine sinnvolle Umsetzung zu kommen. Ein Mensch mit Lust auf Zukunft und ohne Idee, wie er gerade dorthin kommen kann. Ein Mensch, der aus sehr menschlichen Gründen alleine gerade hängenbleibt und sich im Kreis dreht. Eine schwierige und doch auch normale Lebenssituation.

Klassische Therapeut*innen entwickeln in der Regel keine Zukunftsvision mit dir. Sie unterstützen dich auch nicht in beruflichen Kontexten. Das ist nicht ihr Beruf und ihre Aufgabe.

Gut ausgebildete Coaches werden hier ganz praktisch mit dir arbeiten und dich dabei unterstützen, eine neue Lebensvision zu entwickeln und umzusetzen. Sie werden mit dir gemeinsam aufspüren, wo du dir selbst im Weg stehst oder was du noch brauchst, um diese Schritte auch gehen zu können. Sie werden dich stärken, in dem, was du mitbringst an Fähigkeiten und mit dir nach ihnen auf die Suche gehen.

Kurzer Werbeblock für mich

Nicht alle Coaches sind gleichermaßen gut mit Emotionen oder haben Verständnis für tiefgreifende Veränderungen und Lebenssituationen, die mit sehr vielen Verlusten einhergehen. Gerade für die oben beschriebene Situation brauchst du eine an der Seite, die sich mit Emotionen wie Trauer oder Ängsten oder Ohnmachtsgefühlen auskennt und mitdenkt, wo hilfreich.

Nicht alle Coaches kennen sich mit beruflichen Kontexten aus. Ich habe 18 Jahre mit Menschen gearbeitet in allen möglichen Branchen und auf allen möglichen Ebenen. Außerdam war ich selbst immer Unternehmerin.

Das ist ein großer Vorteil für dich, weil ich dich in deiner gesamten Lebenssituation sehe und begleiten kann.

Beispiel 2: „Niemand wird mich jemals wieder lieben“

„Ich bin ziemlich verzweifelt. Meine Beziehung ist aus wegen meiner Krankheit. Ich denke, dass mich nie jemand mehr lieben kann, so angeschlagen wie ich bin. Meine Freunde verstehen mich auch nicht. Ich fühle mich scheiß-einsam. Ich habe deine Artikel gelesen und möchte gerne etwas zusammen machen.“

Wir telefonieren und ich gewinne folgendes Bild:

  • Es scheint um grundlegende, tiefliegende Lebensthemen zu gehen, die vermutlich ihre Wurzeln schon in der Kindheit haben. Muster und Erfahrungen, die nicht erst in dieser Situation das Denken und Tun dieses Mannes bestimmten, die sehr tief liegen. Dem auf die Spur zu kommen und alte Muster aufzulösen für sich selbst, könnte für den weiteren Lebensweg sehr viel Entwicklung und Freiheit bringen. Diese Lebens-Themen gehören zu professionellen Therapeut*innen.
  • Im Vorgespräch wird auch deutlich: Das ist nur eine Seite. Es funkelt noch ganz viel Anderes durch: Alte Freude, Humor und eine innere Stärke. Die Worte sind viel absoluter als das, was ich fühle. Ich fühle die Verzweiflung, die großen Lebensfragen und gleichzeitig einen Menschen, der sehr viel Stärke, Abenteuergeist und Erfahrung in sich trägt. Wir lachen sogar im Vorgespräch.

Die Beziehungsebene stimmt, auch für mich. Nach unserem Vorgespräch fühlt er sich „schon erleichtert“. Er schrieb: Ich bin auch auf der Suche nach einer passenden Therapeutin. Gleichzeitig würde ich auch gerne kurzfristig mit dir zusammenarbeiten. Ich habe mich so gesehen gefühlt in unserem Gespräch. Ich spürte, dass du mir hilfst, mich an all meine inneren Funken zu erinnern und einige Glaubenssätze aufzulösen, das wird mich auf jeden Fall weiterbringen.“

Gesagt, getan. Coaching kann Therapie begleiten, sie können sich wunderbar ergänzen. Ich spreche das auch gerne mit Therapeut*innen ab.

Gut zu wissen:

Als ausgebildeter Coach habe ich eines gelernt: Es ist professionell und ethisch, nur mit den Menschen zusammenzuarbeiten, bei denen ich selbst ganz sicher bin: Es passt, in jeder Hinsicht. In jeder Hinsicht das heißt: Inhaltlich und in punkto Beziehungsebene. Ich checke auch: Will sie oder er wirklich etwas verändern? Ist sie bereit, über sich selbst nachzudenken? Wenn nicht, lehne ich eine Zusammenarbeit ab.

Zusammengefasst: 6 zentrale Punkte für deine Entscheidung

  1. Werde dir klar über deine Ziele. Warum möchtest du Begleitung? Was soll danach anders sein als jetzt? Was willst du für dich lernen und verändern?
  2. Therapie: Tiefgehende Muster und Wunden; Angststörungen, Depressionen, Traumata. Oft jahrelange Begleitung nötig.
  3. Coaching: Eher konkrete private und berufliche Lebensfragen. Lösungs- und zielorientiert. Auf kurzfristige Begleitung angelegt.
  4. Eine hilfreiche Coachingfrage für deine Entscheidung: „Angenommen, Geld spielte keine Rolle, was wäre mir dann wichtig?“ (Denn auch, wenn Geld eine Rolle spielt, sollte dich deine Antworten in der Suche leiten.)
  5. Für einen Begleitungsprozess: Unbedingt abklären, ob die Kompetenzen zu deinen Fragestellungen passen.
  6. Beziehung, Beziehung, Beziehung: Eine gute Beziehung ist einer der größten Erfolgsfaktoren. Wenn dein Bauchgefühl laut „ja“ sagt, dann ist das eine wichtige Information. Wenn es auch nur leise ‚nein“ flüstert, dann auch.

Zurück zum Post und den nicht hilfreichen Ratschlägen in der Facebookgruppe:
Die Frau, die postete, hat nicht genug Hintergrund zu geben, um irgendeinen Ratschlag zu geben. Außer dem: Finde heraus, um was es dir wirklich geht. In Zukunft kannst du gerne meinen Artikel hier verlinken ✔.

Mein schneller Eindruck: Sie schien ein psychisch gesunder Mensch mit ganz normalen und gesunden Gefühlen von Trauer und Ratlosigkeit, der ein nachvollziehbares Bedürfnis hatte, gesehen zu werden darin und einen Weg zu finden.

Sie schien eine Frau, die Lust auf Zukunft hatte. Ihre ganz eigene Zukunft. Die wusste, dass nur sie Schritte setzen kann. Sie schien Verantwortung übernehmen zu wollen für ihr Leben. Ziemlich cool, oder?


Lust auf eine Zusammenarbeit mit mir bekommen?

Die drei Anliegen, mit denen Menschen hauptsächlich zu mir kommen:

  • „Ich weiß gerade nicht mehr weiter und verknote mich. Ich möchte wieder nach Vorne sehen können und konkret Schritte setzen.“
  • „Ich muss gerade viele wichtige Lebensentscheidungen treffen. Plus-Minus-Listen helfen nicht. Ich habe keine Lust mehr, mich im Kreis zu drehen.“
  • „Ich will wieder mein eigenes Ding machen. Herausfinden, wer ich nun sein kann und will nach all diesen Umbrüchen und Veränderungen. Dafür will ich Begleitung.“

Du findest dich wieder? Dann lasst uns sprechen! Unverbindlich, ich schwätze dir nichts auf. Nie. Aber das ist klar geworden, hoffe ich. 🙂


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