Mein Blogartikel ist die Antwort auf den Schreibimpuls von Anna Koschinski in einer ihrer Blognächten: „Dafür lohnt es sich zu kämpfen“


Einschub für alle, die wie ich mit dem Wort „kämpfen“ hadern
Kämpfen ist nicht mein Wort und meine Lebenseinstellung. Erst hat sich etwas gesträubt, dann nehme ich das Kriegerische heraus und definiere „kämpfen“ grob so: Dich mit ganzem Herzen für etwas einsetzen, was dir sehr wichtig ist. Fallen und wieder aufstehen. Auch mal ein paar Schritte zurücksetzen, Schleifen laufen, dich mal hinsetzen und ausruhen. Widerstände überwinden. Immer wieder. Nach Lösungen suchen. Dich nicht aufhalten lassen. Dich freuen an deinen Fortschritten. Immer mit dem Blick auf das, für das du dich mit all deinem Herzen einsetzt.


Du hast zwei Möglichkeiten, wenn eine Krankheit dein Leben verändert

Wenn eine Krankheit dein Leben verändert, dann hast du zwei Möglichkeiten: Dich von deinem Körper und deiner Krankheit leben zu lassen oder zu sagen: „Ich nehme das an, liebes Leben. Ich mache da was draus. Es wäre ja wohl gelacht, wenn mir das nicht gelänge.“

Klar, du hast dir so viel Anderes erträumt, da sind so viele Ideen und Wünsche für dein Leben. Dinge, die du tun wolltest, eine andere berufliche Karriere oder überhaupt eine andere Vorstellung davon, wie es so weitergeht für dich. Zu lernen, wie du eine Krankheit annehmen und akzeptieren kannst, das stand nicht auf dem Plan.

Und doch:

Wenn dich deine Krankheit lebt, dann lebst du nicht (wirklich). Dann wirst du gelebt.

Anne Niesen / SEHHELDIN

Wofür willst du dann kämpfen? Für deine Vergangenheit, die nicht mehr ist? (Das klingt sehr hart, ich weiß es, aber es ist leider die Realität)

Für mich ist die Antwort auf die Frage „Wofür lohnt es sich zu kämpfen“ daher deutlich: Es lohnt sich so was von und 100%ig dich mit ganzem Herzen dafür einzusetzen, dass du dich lebendig fühlst. Dass du lebst und nicht gelebt wirst. Dass du nicht als Opfer lebst, sondern als eine*r die sich bewegt und handelt. Als eine die gestaltet für ihre Gegenwart und ihre Zukunft. (s. auch mein Sehheldin-Manifest)

Das geht nicht von jetzt auf gleich

Ich bin vor einigen Jahren nicht gleich turbomäßig gestartet auf einem Sehheldin-Weg. Damals habe ich vor Allem gedacht: So will ich mich nicht fühlen. Ich will kein Grau, ich will Farben im Herzen. Es ging mir nicht wirklich gut, du hörst es schon.

Vielleicht kannst du dich jetzt noch nicht dazu entscheiden, für dein Leben zu kämpfen. Mir wäre das jedenfalls nicht sofort möglich gewesen. Damals wusste ich nur eines: Ich weiß gerade nicht wirklich weiter. Ich habe auch die Kraft nicht, um nach Vorne zu schauen. Wenn ich versuchte, nach Vorne zu schauen und zu planen, dann fühlte ich mich gestresst, überlastet und hoffnungslos. Ich war nicht völlig am oben, als ich meinen Beruf als internationale Trainerin und Veränderungsbegleiterin aufgeben musste. Es hatte sich schon lange angekündigt, ein schleichender Prozess. Mein Leben war eher Grau, eine Art Nebelgebiet, Sichtweiter ein Meter.

Vor allem: Ich wusste damals noch nicht einmal, dass dies eine Option ist. Ich wusste überhaupt nicht, dass es eine Entscheidung zu treffen gilt und dass ich diese noch nicht getroffen hatte.

Ich wusste nur: Dieses Lebensgefühl möchte ich nicht.

Dein Bauchgefühl ist oft klüger als dein Kopf

Nachdem ich meinen alten Beruf aufgeben musste, fühlte sich mein Leben irgendwie farblos an. Ich hatte keine Vision für mein Leben, keine Zukunft, kein Ziel. Ich fühlte wenig. Alle Ängste hatte ich verdrängt, unbewusst, aber gründlich.

Aber ich wollte fühlen, ich wollte diese graue, farblose Masse in mir nicht.


Ich googelte nach einem Retreat mit viel Austausch und Begegnung und mich fand das Gegenteil: Ein Stille-Retreat. Ich habe gebucht, weil mein Bauchgefühl ‚ja‘ sagte – obwohl ich ganz schön Muffen vor dem Schweigen hatte.
Nach einem Tag und einer Nacht Stille kamen die Tränen. Endlich. Ich fühlte mich wieder lebendig, auch wenn es das Gegenteil eines Erholungsurlaubs war. Ich war mir wieder begegnet, ich hatte viel inneren Austausch mit mir, mit meinen Wünschen und meiner Stärke. Vor allem meiner Stärke.

Wusste ich damals schon, warum ich weinte, warum ich mittelmäßig depressiv war? Nein, denn ich wusste noch nichts über Symptome von unterdrückten Gefühlen und Trauer.
Noch mehr: Ich hatte mir noch gar nicht wirklich zugestanden, dass ich etwas zu betrauern habe. Denn, he, ich sehe doch noch und hochgradig kurzsichtig war ich doch immer schon. So ein bisschen Zukunftsängste, das wuppe ich schon. (Du hörst die Ironie)

Die Suche beginnt.

Immer weiter habe ich gesucht: Was hilft mir, Anne, das Leben wieder farbig fühlen zu können und wirklich zu leben? Was hilft mir wieder richtig Lust auf mein Leben und meine Zukunft zu haben? Egal, was meine Augen so tun? Egal, was im Außen an Schwierigem passiert?

Immer wieder habe ich mich gefragt:

  • Was hilft mir, genau die Anne zu sein, die ich gerne sein möchte?
  • Was hindert mich noch daran, diese Anne zu sein?
  • Wie kann ich dieses Hindernis verkleinern oder gar zur Seite räumen? Hilft mir das gerade? Bringt mich das weiter auf meinem Lebensweg?
  • Gestalte ich oder erleide ich?

Für dein Leben kämpfen heißt: Eine Entscheidung treffen

Irgendwann auf dieser Lebensreise wurde mir dann ganz deutlich: Ich muss eine Entscheidung treffen. Besser: Ich will eine Entscheidung treffen.
Du ahnst schon, welche, oder? Genau:

Die Entscheidung, ob ich Opfer meiner Augen sein will oder Handelnde. Ob ich eine sein will, der die Augen und das Leben geschehen oder eine, die für sich gestaltet.

Erst, als ich mich bewusst entschieden hatte, hatte ich ein Ziel, für das sich lohnte zu kämpfen, immer wieder: Mein Leben.

Anne Niesen / SEHHELDIN

So lebe ich seit einigen Jahren. Ich nenne das meinen Sehheldin-Weg.

Ich wünsche mir diese Augen nicht, wirklich nicht. Aber es ist so, wie es häufig gesagt wird: Wer gestaltet, wer sein Leben annimmt mit allem, was dazu gehört, der ist mit sich im Reinen. Auch in ganz schwachen Momenten fühle ich mich seitdem stark.

Mein bisheriger Prüfstein war mein Jahr 2020. Als ich damals meinen Jahresrückblick verbloggt habe dachte ich wirklich: Wow, unglaublich. Still standing.
Ging es mir da immer blendend? Bin ich da täglich mit einem Lied auf den Lippen aufgestanden? Nein, ganz sicher nicht (und so ein Typ bin ich sowieso nicht). Aber ich hatte zu jeden Zeitpunkt Hoffnung. Ich fühlte mich zu jeden Zeitpunkt am Steuer meines Lebens. Ich habe mich nie gefragt, „warum ich“. Ich war immer stolz auf mich.

Ich gehe meinen Sehheldin-Weg weiter. Einen anderen gibt es nicht.

Ich weiß: Er wird mich mal gemütlich geradeaus führen und mal wird er mir alles abverlangen. Mal werde ich erschöpft auf einer Bank platznehmen am Wegesrand. Mal wird es sich anfühlen, als ob es zurück und nicht nach vorne geht. Dann wieder werde ich jubeln und mich freuen über die vielen Kilometer, die ich schon zurückgelegt habe.

Eines, weiß ich schon heute: Zurück will ich nicht mehr und kann es auch nicht – zu sehr habe ich mich verändert. Und weißt du was? Ich bin so froh und stolz über diese Anne, die ich jetzt bin und freue mich auf die, die ich noch werden werde.

Wofür lohnt es sich zu kämpfen?

Meine Antwort:

Für dich selbst, dein Leben, für deine Zukunft und für deine Farben im Herzen.

Denn für was solltest du sonst kämpfen wollen? Du bist doch die Basis, der Startpunkt für alles andere.

Hast du deine Entscheidung schon getroffen? Setzt du dich schon mit ganzem Herzen und vollem Einsatz für dich und dein Leben ein?

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