Oder: Informationswüste damals. Informationswüste auch heute?

Hohe Myopie: 3 mal Wissenswertes

  • Hochgradige Kurzsichtigkeit oder Hohe Myopie beginnt bei minus sechs Dioptrie
  • Ab – 6 Dioptrie ist ein erhöhtes Risiko auf zum Beispiel Netzhauterkrankungen, Netzhautablösungen oder Star.
  • Weltweite Studien belegen einen Anstieg von Kurzsichtigkeit unter Anderem aufgrund hohen Bildschirmgebrauchs.

Warum dieser Artikel?

Ich bin Jahrgang 1965. Damals war noch kaum etwas zu Myopie bekannt. „Sie braucht eben eine Brille.“ Aber auch durch Gespräche und Posts in meiner Facebookgruppe für Hochmyope und Eltern weiß ich: Heute ist es bei vielen Optikern und Augenärzten auch nicht selbstverständlich, dass sie sich wirklich gut auskennen.

In diesem Blogpost geht es mir hauptsächlich darum, dich aufmerksam zu machen. Dir zu sagen: Das ist nicht „einfach nur eine Brille“. Hohe Myopie ist heutzutage anerkannt als Augenkrankheit, die deine Aufmerksamkeit verdient.

Und falls du nicht mehr zwanzig bist, hast du wahrscheinlich Ähnliches erlebt wie ich. Dann freue ich mich, wenn du dich durch meinen Artikel gesehen fühlst, liebe Mit-Kurzsichtige.


Meine Erfahrung zur Informationswüste Hochgradige Kurzsichtigkeit

Es ist erst einige Jahre her. Die Folgeerscheinungen meiner pathologischen Myopie bestimmen jetzt so deutlich mein Leben, dass ich nicht mehr so tun kann, als op sie das nicht täten. Ich möchte endlich richtig verstehen, was da schon mein ganzes Leben Teil von mir ist. Ich möchte informierte Patientin sein. Das Spannende ist: Ich, die sonst alles, wirklich alles googelt, weiß damals herzlich wenig über meine Augenerkrankung. Wie kann das nur sein?

Wurzeln der Unwissenheit

Ich frage meine Mutter: Sag mal, wie viel Dioptrie hatte ich denn damals als ich meine erste Brille bekam so mit ungefähr zwei Jahren? Damals, als ich nicht laufen lernte und eine Tante die Idee hat, dass ich vielleicht Angst habe, aufzustehen, weil ich nicht so gut sehe. „Das weiß ich gar nicht mehr so genau,“ sagt sie, „es ist ja schon so lange her. (Das stimmt allerdings). Ich glaube so minus 6 Dioptrie, vielleicht auch minus 8 Dioptrie. Nicht so schlecht jedenfalls.“

Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Wie wenig war damals bekannt über Kurzsichtigkeit. Brille auf und weiter. Und sie hat natürlich recht: Im Vergleich zu meinen späteren minus 23 Dioptrie muten – 6 Dioptrie geradezu läppisch an.

Kaum Wissen zu hochgradiger Kurzsichtigkeit

Dies war in den 60ern. Wir wussten nichts. Kein Arzt hatte meine Eltern darüber aufgeklärt, was es bedeutet, wenn ein Kleinstkind schon derart schlechte Augen hat. Niemand hat mit ihnen darüber gesprochen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit von weiterer Verschlechterung und Folgeschäden ist. Sie wussten es selbst nicht.

Auch später als junge Erwachsene wusste ich noch nicht viel, ausser wie sehr ich es selbst belastend fand. Was ich da eigentlich habe und dass dies eine sehr ernstzunehmende Augenerkrankung ist und nicht einfach „etwas, dass ich habe“, das war mir nicht klar. Wir waren ahnungslos, damals im Vorinternetzeitalter. Ich habe halt schlechte Augen, eine enorm hohe Dioptriezahl. Das war es in etwa, Ängste inbegriffen.

Später sagen Ärzte zuweilen etwas wie: „Es kann sein, dass Ihre Netzhaut noch schlechter wird.“ Noch später: „Passen Sie auf, ob Sie Blitze sehen oder Russregen, dann müssen Sie SOFORT in die Klinik.“

Oft aber eher vage, eher nachgestellt als im Hauptsatz. Es drang nicht wirklich zu mir durch, wie wahrscheinlich es ist, dass ich mit minus 23 Dioptrie Augen sehbehindert werde. So richtig, offiziell, mit Stempel und behördlich anerkannt.

Meine Interpretation der Nachsätze war immer: Wenn ich großes Pech habe, dann passiert etwas mit der Netzhaut. Es kann passieren, so wie so Vieles im Leben passieren kann. Das hing mir irgendwie im Unterbewusstsein, aber mehr als verschwommene Sorge.

Kleiner Einschub: Selbstbild mit sechs Jahren: Anne mit Brille 💕

Foto von Anne Niesen mit Brille, Alter 6 Jahre, ca. acht Dioptrie (Hohe Myopie)

Gute Kommunikation ist, was die Patientin erreicht

Bekanntlich ist Kommunikation dann gelungen, wenn die „Empfängerin“ (also ich und meine Eltern) verstehen, was wichtig ist. Das war klar nicht der Fall.

Wollte ich es so verstehen? Wurde es nicht besser kommuniziert? Gab es damals einfach noch nicht ausreichend Informationen?

Was ich im Nachhinein sagen kann – und wir wissen ja, Erinnerung ist trügerisch:

  • Augenärzte haben es nicht so kommuniziert, dass ich es wirklich hören und verstehen konnte.
  • Wenn sie etwas kommuniziert haben, dann oft auf eine Manier, dass ich es so schnell wie möglich wieder verbannt habe aus meinem Bewusstsein. Drastisches Beispiel: Ich erinnere noch einen Professor, unglaublich unfreundlich und kein Funken Empathie erkennbar. Auf dem Weg nach Draußen gab er mir die Hand mit der Bemerkung: „Sie wissen ja, es kann Ihnen passieren, dass Sie morgen früh aufwachen und sehen nichts mehr. Schönen Tag noch.“
  • Oder es kam so sachlich und als gefühlter Nebensatz rüber, dass ich nicht registriert habe, dass das wirklich ernstzunehmen ist, sehr sogar.
  • Oder es waren eben nur die trockenen Fakten der Augenuntersuchung, für Fachleute absolut deutlich, für mich nur Zahlen.
  • Lange Zeit war mein Fokus darauf, wie „hässlich“ die Brille wieder aussehen würde. Jedes Dioptrie mehr habe ich dann mehr gehört als „noch hässlicher“ als in Bezug auf medizinische Relevanz. Das wurde auch nicht vermittelt.
  • Warum die Kommunikation mit Augenärzten so war, kann ich nur erahnen als Patientin: Hatten sie Angst vor den unausweichlichen Emotionen? Dachten sie, sich klar ausgedrückt zu haben? Wussten sie damals selbst nicht genug über hohe Myopie? War diese Information für sie aus augenärztlicher Sicht nicht Teil ihres Auftrages?

Ich weiß es nicht. Ich weiß nur: Es war eine absolute Informationswüste, viele Jahre lang.

Lass uns austauschen!: Wie war es bei dir?

Was ich weiß ist: Viele Menschen mit hoher Myopie, die ich bisher gesprochen habe, berichten das Gleiche oder sehr Ähnliches, vor Allem, diejenigen, die älter als dreißig Jahre sind und sicher diejenigen, die über fünfzig Jahre sind.

„Ich hatte keine Ahnung, wie gefährlich es ist.“ „Nie hat mir jemand gesagt, welche Folgeschäden auf mich warten können.“

„Ach, das ist eine Augenerkrankung? Das wusste ich gar nicht. Ich dachte, ich brauche einfach nur eine Brille oder Linsen und gut ist. Sorgen habe ich mir natürlich immer gemacht und habe gelitten, wenn es wieder eine Dioptrie mehr war. Aber ernstgenommen hat mich eigentlich nie jemand wirklich.“

Wie war es bei dir? Ähnlich oder völlig anders? Bitte berichte unten in den Kommentaren! Es ist so wichtig, dass wir uns hier sehen und auch Erfahrungen nach Außen tragen.

Liebe Mit-Sehheld*in, was sind deine Erfahrungen?

  • Wusstest du schon immer, dass Kurzsichtigkeit (Myopie) schon ab – 6 Dioptrie als hoch eingestuft wird und dass es eine Augenerkrankung ist?
  • Weißt du, dass es absolut anzuraten ist, mindestens einmal pro Jahr zum Augenarzt zu gehen und auch deinen Augenhintergrund regelmäßig untersuchen zu lassen?
  • Hast du schon jemals gehört, wie wichtig die Länge deines Augapfels ist für eine Diagnose?

Liebe Eltern kurzsichtiger Kinder, wie ist es heute?

  • Liebe Eltern von Kindern mit starker Kurzsichtigkeit, werdet ihr heute automatisch im Detail informiert?
  • Habt ihr schon jemals von Myopie Management gehört?
  • Wisst ihr alles über Atropintropfen oder Speziallinsen? Wurde das Für und Wider genau mit euch besprochen?
  • Werdet ihr durchverwiesen an Spezialisten?
  • Sagen eure Augenärzte ehrlich: „Ich bin ein erfahrener Augenarzt, aber von hochgradiger Myopie habe ich nicht genug Ahnung?“

Hohe Myopie ist für viele Augenärzte noch immer ein fast unbekanntes oder zu wenig bekanntes Feld. Ich will dazu beitragen, dass sich das verändert.

Anne Niesen | SEHHELDIN

Also: Helft durch eure Kommentare: Was sind eure Erfahrungen? Was wünscht ihr euch? Teilt, macht aufmerksam, fragt nach!

Wir können einen Unterschied machen! Je mehr wir berichten, je mehr wir nachfragen, je mehr wir Informationen suchen und fordern, je mehr wird die Wüste blühen. Davon bin ich überzeugt.

Bis bald, herzliche Grüße, eure Anne aka SEHHELDIN

  • Du möchtest für dich die Wüste hinter dir lassen? Dann komm in meine geschlossene Facebookgruppe. Für Austausch, Teilen, Mitfiebern, Informationen. Einfach hier clicken. Herzlich willkommen.
    Lies hier, warum ich dafür plädiere, von Hoher Myopie zu sprechen
  • Lies hier, warum die Hohe Myopie FB Gruppe Motivator und Anstoss für mich war, eine deutsche Facebookgruppe für Hoch-Myope zu gründen
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