oder: Was dir Wanderstöcke bei Sehbeeinträchtigung bringen (Teil 1)

(Das Bild zeigt meine roten Wanderstöcke, die an einem Baum lehnen)

Was dir Wanderstöcke bei Sehbeeinträchtigung bringen

Bisher: Spazieren ja, Wandern nein

In Hamburg wohnte ich in Altona, in Laufabstand zur Elbe. Bei schönem und nicht so schönem Wetter konntest du mir hier begegnen. Hier in Nimwegen drehe ich auch meine Runden. Das brauche ich: Für meine Seele, zum Gedankensortieren und um in Bewegung zu kommen.

Der Gedanke liegt nahe, dass ich auch viel wandere. Fehlanzeige. Bisher.

Wenn eine eine Reise macht…

Während unseres Urlaubs in England stehen wir gleich zu Beginn mit unserem Camper auf einem kleinem Campingplatz mitten in den Yorkshire Moors. Vor- und hinter uns Schafe und sehr viel Landschaft.  

Gute Wanderschuhe habe ich schon. Auf geht’s. Ich wandere, wie ich schon immer wandere, ohne wirklich darüber nachzudenken. Mein linker Fuß sucht ein bisschen vor, dann laufe ich sozusagen hinterher. Ich laufe Umwege, um zu vermeiden, dass ich irgendwo drüber klettern muss. Wenn es auf einem unebenen Weg nach unten geht, gehe ich sehr langsam und mit Angst im Magen.

So war dies schon immer. Seitdem Folgeerscheinungen zur „normalen“ hochgradigen Kurzsichtigkeit hinzugekommen sind,  laufe ich noch unsicherer. Regelmäßig lege ich meine Hand auf die Schulter meines Freundes, was Halt und Sicherheit bietet. Im Vorfeld versuchen wir Wege auszusuchen, von denen wir hoffen, dass sie zu meinen Augen passen.

So war dies bisher.

Die Stock-Revolution

Wir laufen durch ein kleines Waldstück, an einem Fluss entlang. Der Weg ist schmal. Ich habe das Gefühl, ich balanciere auf einem Schwebebalken. Während ich so versuche, mein Gleichgewicht zu halten, drückt mir mein Freund einen Ast in die Hand. „Probiere den doch mal aus.“

Mit Stock auf Treppenstufen abwärts

Aus meiner Erinnerung taucht die Erzählung meiner Mutter auf: „Seit du deine Brille hattest als Kleinstkind hast du sie immer sofort aufgesetzt. Es war klar, du brauchtest sie.“

So fühlt es sich jetzt mit diesem Stock an. Unglaublich. Wieso habe ich das jetzt erst entdeckt?? Aber dazu später mehr.

So richtig deutlich wird die wundersame Verwandlung dann auf dem Küstenpfad. Zweimal geht es nach unten und dann auf der anderen Seite wieder hoch. Für Menschen mit guten Augen stellt dieser Weg kein Problem dar. Wenn, dann in den Waden und Knien.

Für Anne-vor-der-Entdeckung-des-Wanderstocks wäre so ein Wandervergnügen sehr zweischneidig gewesen: Reine Freude einerseits. Meer, weiter Blick, Natur, Bewegung, ab und an ein kurzer Austausch mit anderen Wanderern – perfekt.  Andererseits begleitet von einer ständigen Anspannung; von Suchen nach Möglichkeiten, von Zögern und Stolpern.

Gewandert wie noch nie

Und jetzt? Ich bin gewandert wie noch nie. Zügig, aufrecht und über Stock und Stein. (Wie gesagt, der Wanderweg ist gut ausgebaut. Wir reden nicht über die Alpen. Und doch!)

Das Beste: Ohne jegliche Magenschmerzen. Wenn es nach unten geht oder der Weg uneben ist, zeigt mein Stock mir an, wie tief es ist. Ganz automatisch.

Upgrade: LEKI Wanderstöcke

Im nächsten Städtchen will ich hauptsächlich eines: Einen Outdoorladen. Jetzt bin ich glückliche Besitzerin von LEKI-Wanderstöcken in schönem Rot. Das motiviert mich gleich noch ein bisschen mehr. (Dies ist keine Werbung – sie waren einfach die besten für mich)

Vorteile von Wanderstöcken bei Seheinschränkungen

Ich berichte von mir und nehme an, das Gleiche gilt auch für dich, wenn du schlecht siehst und kaum Tiefen- und Kontrastsehen hast!

  1. Endlich kann ich in die Landschaft schauen anstatt ständig verkrampft auf den Weg. Ich weiß: Sollte ich stolpern, dann habe ich zwei extra „Beine“, die mich auffangen.
  2. Ich setze meine Füße völlig anders auf. Keine „Suchbewegungen“ mehr. (Die haben weder meinen Füßen noch meiner Haltung gut getan)
  3. Die Stöcke sind meine „Tiefe-Detektoren“. Sie geben mir eine Idee, ob es 3 cm oder eher 30 cm nach unten geht. (Alle, die mit Blindenstock gehen, kennen dies natürlich)
  4. Ich laufe auch noch sicher, wenn meine Beine und Augen übermüdet sind. (Anstatt mir noch einen Bänderanriss zuzuziehen oder was es sonst noch im Angebot gab)
  5. Wenn wir über einen dieser Übergänge zwischen zwei Feldern klettern müssen, sind die Stöcke mir Stütze und nehmen mir die Angst.

Natürlich kommen alle allgemeinen Vorteile von Wanderstöcken noch dazu. So zum Beispiel:

  • Ich gehe aufrecht und bewege meine Arme anders mit. Selbst nach den Wanderungen ist meine Haltung besser und mein Gang kräftiger und schneller.

Grandios, wirklich grandios. Also, liebe Mit-Sehheld*innen, falls ihr es nicht schon längst tut: Probiert Wanderstöcke aus!

Falls ihr hier mal in Nimwegen seid: Meine Stöcke stehen bereit zum Ausprobieren. (Das Angebot ziehe ich bei zu großer Inanspruchnahme zurück ?)

Was sind eure Erfahrungen? Wer benutzt schon Wanderstöcke auch dort, wo Normalsichtige noch keine benutzen würden? Was hält euch ab?
Wie immer: Lasst es mich und uns wissen! Diskutiert, tauscht euch aus und teilt diesen Beitrag.

Eure Anne, die Sehheldin

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